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Homeoffice ist nicht fair – sagen viele? Ich finde doch. Denn wir suchen uns den Beruf aus. Statt eine Neiddiskussion zu führen, brauchen Unternehmen eine Remote Work Kultur, die alle MitarbeiterInnen abholt, sowie Führungs- und Arbeitsmodelle, die auch zukunftsfähig sind.

Während sich sehr viele Unternehmen vor Corona äußerst schwer damit taten, gab es bereits zu Anfang der Pandemie plötzlich Homeoffice im Schnellwaschgang. Generell begrüße ich diese Entwicklung, weil sie beweist, was alles möglich ist.

Trotzdem gibt es zahlreiche Berufe, in denen wir nicht einfach mal zuhause bleiben können. Das bedeutet im Zweifel, dass sogar innerhalb eines Unternehmens einige Abteilungen weiter in die Firma müssen und andere ihre Arbeit aus dem Homeoffice erledigen können. Da kommt leider oft Unmut auf.

Einerseits bei denen, die es zuhause kaum aushalten und lieber ins zurzeit eher ruhige Büro flüchten möchten. Andererseits bei denen, die gar nicht erst die Gelegenheit haben und am Arbeitsplatz anwesend sein müssen.

Viele Schwierigkeiten rund um mobiles Arbeiten lassen sich leicht ausräumen, weil sie auf Denkfehlern basieren.

Denkfehler 1: Die Mär von der Zweiklassenkultur

Es ist nicht verwunderlich, dass die Uneinigkeit der Belegschaft und die Angst vor einer Zweiklassenkultur innerhalb des Unternehmens in HR-Abteilungen und auch in der Geschäftsleitung schnell dazu führen, dass sie am liebsten das Rad gleich wieder auf die Vor-Corona-Zeit zurückdrehen möchten.

Und genau hier sehe ich die Schwierigkeit. Ich glaube nicht, dass das je wieder möglich sein wird. Deshalb sollten wir sofort mit der Mär von der Zweiklassenkultur aufräumen. Es ist einfach nicht wahr, dass es ungerecht ist, wenn die einen ins Homeoffice „dürfen“ und die anderen weiterhin zur Arbeit „müssen“.

In einigen Branchen wie in der Gastronomie oder in der Veranstaltungsbranche sind Menschen zu 100 Prozent in Kurzarbeit und wissen nicht, ob sie jemals wieder an den angestammten Arbeitsplatz zurückkehren können oder ob es die Firma und damit ihren Job nach der Pandemie überhaupt noch geben wird. Ist das gerecht?

Die Entscheidung für einen Beruf ist ganz persönlich und heutzutage ist es kein Problem mehr, den Beruf auch noch später zu wechseln, wenn wir die Rahmenbedingungen nicht mögen. Es gibt immer weniger Menschen, die einen Job ihr ganzes Leben lang machen. Ich kenne Bäcker, die sind inzwischen IT-Spezialisten und Manager, die als Gartenpfleger arbeiten.

Das Modell: Lern was Anständiges und mach den Job dann dein ganzes Leben lang, hat längst ausgedient. Arbeit ist keine Lebensentscheidung mehr. Wie so oft ist es eine Frage der Eigenverantwortung, ob wir eine Neiddiskussion starten wollen oder unsere Energie lieber in Lösungen stecken.

Denkfehler 2: Remote Work ist ein Statussymbol

Zurzeit scheint Homeoffice das zu sein, was sonst Eckbüro oder Dienstwagen darstellen – ein Statussymbol. Ein absurder Ansatz. Zum einen, ist das erzwungene Homeoffice, das wir zu Corona-Zeiten haben, auch nicht immer nur ein Segen. Alle, die gleichzeitig Kinder zuhause haben und zwischen Arbeit und Homeschooling jonglieren müssen, wissen, was ich meine.

Außerdem ist es ja in der Regel auch im produzierenden Gewerbe so, dass „unten“ die Fertigung stattfinden und „oben“ die Büros sind. Wenn wir also werten wollen, dann könnten wir hier schon eine klare Hierarchie reinlesen.

Damit implizieren wir aber, dass diese räumliche Trennung Abteilungen aufgrund der Wichtigkeit trennt. Denkt man weiter, ist es schlichtweg unsinnig, in oberen Räumlichkeiten zu fertigen – alleine schon wegen des Weitertransports von Teilen oder Produkten.

Wir müssen also weg vom Statusdenken. Denn Homeoffice, nein, Remote Work, also mobiles, ortsunabhängiges Arbeiten, ist ein Teil von New Work und damit bereits mittelfristig ein Wettbewerbsfaktor im Rennen um gute Fachkräfte. Das können wir nicht ignorieren.

Denkfehler 3: Mobiles Arbeiten bedeutet zuhause arbeiten

Wir gehen zurzeit in den meisten Diskussionen davon aus, dass mobiles Arbeiten bedeutet, den gleichen Job, den wir sonst im Büro gemacht haben, in den eigenen vier Wänden zu erledigen. Weit gefehlt.

Zum einen können wir mobiles Arbeiten nicht mit Homeoffice gleichsetzen. Das hat sich zu Corona-Zeiten so ergeben, hat aber nichts mit der langfristigen Realität zu tun. Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation.

Zum anderen reicht es auch nicht, MitarbeiterInnen einfach mit dem Laptop nach Hause zu schicken und zu denken, alles läuft wie sonst auch. Mobiles Arbeiten bedeutet für mich, dass die Arbeit selbst und das Unternehmen sowie deren Arbeitsabläufe, Kommunikationsweise, Tools etc. so organisiert sind, dass es ganz egal ist, an welchem Ort ich arbeite.

Kommunikation, Transparenz, Erreichbarkeit und der persönliche Austausch ist zu jeder Zeit an jedem Ort gegeben – das kann das Büro, das Homeoffice, ein Café um die Ecke oder auch ein Coworking Space in Thailand sein. Diese Arbeitsform braucht eine neue Arbeits- und zunächst auch eine neue Denkweise.

EXTRA: Ist dein Unternehmen bereit für Remote Work? Eine Checkliste

Denkfehler 4: Remote Work kann jeder

Leider nein. Remote Work ist auch eine Typ-Frage. Und es ist völlig okay, wenn MitarbeiterInnen nicht remote, sondern einige auch weiterhin vor Ort im Büro arbeiten möchten. Die meisten Herausforderungen können wir aber meistern, wenn wir alternative Vorgehensweisen finden.

Wer sich beispielsweise im Homeoffice schnell einsam fühlt, kann Rituale für den virtuellen Austausch unter Kollegen schaffen. Das kann die gemeinsame virtuelle Kaffeepause sein oder auch nur der Kollegenchat.

Wer fürchtet, dass die E-Mail-Postfächer überquellen, muss wissen, dass die E-Mail alleine eh kein geeignetes Remote Work Tool ist. Slack oder Microsoft Teams sind deutlich besser zur Kommunikation im Team und Trello oder der Microsoft Planner helfen dabei, gemeinsame Aufgaben übersichtlich zu managen. Es geht also, wie so oft, nicht ums Können, sondern ums Wollen.

Denkfehler 5: Wir können nur Entweder–oder

Ich weiß nicht genau woher dieses Denken kommt. Mit Sicherheit kann ich aber sagen, dass Remote Work nicht nur als Komplettlösung möglich ist. Ganz im Gegenteil. Ich plädiere fast immer, wenn ein Unternehmen aus der klassischen Präsenzkultur kommt, für ein Hybridmodell.

MitarbeiterInnen und Führungskräfte können dann zum Beispiel, wenn gewünscht, zwei oder drei Tage pro Woche mobil arbeiten. Das schwächt einerseits die Umstellungsschwierigkeiten ab, andererseits werden persönliche Präferenzen mit einbezogen.

Ich rate jedem, sich mit einer Hybridlösung auseinanderzusetzen. Denn es ist utopisch zu glauben, wir könnten, wenn die Krise vorbei ist, einfach wieder zum alten Normal, also zu einer 100 Prozent Präsenzkultur zurückkehren. Es wirkt sogar ein bisschen absurd, wenn Mitarbeiter während Corona wochenlang das Homeoffice gerockt haben und dann plötzlich wieder fünf Tage die Woche im Büro sitzen sollen.

Denkfehler 6: Führung ist Führung

Ebenso wenig wie MitarbeiterInnen mobil nicht genauso arbeiten können, wie sonst im Büro, ist das für Führungskräfte möglich. Gerade in Sachen Vertrauen braucht es ein persönliches Update, um Stechuhr und klassische Top-down-Führung zu ersetzen.

Stattdessen müssen alle Stakeholder in den Remote-Work-Prozess eingebunden werden. Und das ist gar nicht so einfach, weil es keine One-fits-all-Lösung gibt. Jedes Unternehmen tickt anders und braucht seine eigene Remote-Work-Kultur, aber auch seinen eigenen Führungsstil.

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber mit klaren Regeln noch sehr zögerlich ist. Zumindest sozialversicherungsrechtlich befinden wir uns häufig noch in einer Grauzone. Anstatt weiter über Fairness zu diskutieren, sollten wir die Politik auffordern, rechtssichere Rahmenbedingungen für Unternehmer und MitarbeiterInnen zu schaffen.

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Teresa Hertwig

Teresa Hertwig ist leidenschaftliche Remote-Work-Visionärin und Geschäftsführerin der GRC – GetRemote Consulting GmbH aus Berlin. Mit ihrer Agentur berät sie Unternehmen auf dem Weg von der Präsenz- zur Remote-Work-Kultur. Sie glaubt besonders an Hybridmodelle, die die klassische Präsenzkultur ablösen werden. Im März ist Teresa Hertwigs Buch „30 Minuten 360° Remote Work“ (im Gabal-Verlag) erschienen.

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One Comment

  • Andre sagt:

    Geschrieben von jemanden der die Möglichkeit hat zum Homeoffice, darüber wo sich wir Präsenzabreiter am meisten aufregen ist die Zeitersparniss beim Arbeitsweg und die Möglichkeit z.B.: eine Waschmachine mal schnell anmachen oder ein Paket zu Hause anzunehmen.
    Wir Präsenzarbeiter verlieren nun mal deutlich mehr Zeit, das wird in dem Artikel natrülich wie immer nicht erwähnt. Schade eigentlich.

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