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Während eines Gespräches mit einem Beraterkollegen sind wir vor einiger Zeit ins Fachsimpeln gekommen und haben uns darüber ausgetauscht, wie essenziell wichtig es doch ist, die Anforderungen der ISO 9001 mit gesundem Menschenverstand umzusetzen.

Aber schon im Gespräch kam mir der Gedanke, dass das vielleicht nicht hundertprozentig richtig formuliert ist. Ich würde es ganz allgemein so formulieren – die ISO 9001 ist gesunder Menschenverstand.

Warum hat die ISO 9001 teilweise so einen schlechten Ruf?

Meiner Meinung ist dies eine Kombination aus folgenden zwei Faktoren:

  1. Die ISO 9001 ist DIE Basisnorm für Qualitätsmanagement, für jegliche Art von Organisationen. Der Begriff „Unternehmen“ wird in der ISO 9001 bzw. in den darin aufgestellten Forderungen nicht einmal erwähnt. Es ist immer nur von „Organisation“ die Rede, so dass dadurch die Möglichkeit gegeben ist, dass jegliche Art von Organisation sich nach ISO 9001 zertifizieren lassen kann. Selbstverständlich sind dies zum größten Teil Unternehmen, allerdings waren bzw. sind zum Beispiel auch ein Blasorchester oder ein Fußballverein nach ISO 9001 zertifiziert.
  2. Die ISO 9001 gibt immer nur vor, dass bestimmte Dinge getan werden müssen. Sie gibt allerdings an keiner Stelle vor, wie diese Dinge im Unternehmen bzw. der Organisation umgesetzt werden müssen.

Die Kombination dieser zwei Faktoren führt zu einer starken Interpretierbarkeit der Normforderungen, was teilweise zu absurden Übererfüllungen der Forderungen führt.

Und wenn dann bei diesen extremen Übererfüllungen jemand den Sinn der Umsetzung in Frage stellt, dann heißt es leider viel zu oft und pauschal – die ISO 9001 fordert dies aber so.

Praktisches Beispiel Lieferantenbeurteilung

Die ISO 9001 fordert, dass qualitätsrelevante Lieferanten beurteilt werden. Dies ist für mich gesunder Menschenverstand, denn die Qualität von Rohprodukten bzw. Vormaterialien beeinflusst ganz eindeutig auch die Qualität des Endproduktes und auch die Liefertermintreue des Vorlieferanten beeinflusst natürlich auch die eigene Lieferfähigkeit und damit die eigene Liefertermintreue.

Und hier kommt der Punkt der Interpretierbarkeit ins Spiel. Es ist vorgegeben, dass eine Lieferantenbeurteilung durchgeführt werden muss – allerdings ist nicht vorgegeben, wie diese Beurteilung auszusehen hat.

Da kann man natürlich verschiedene Herangehensweisen wählen:

Man kann zum Beispiel acht verschiedene Bewertungskriterien definieren, denen man eine unterschiedliche Gewichtung gibt, um an Ende eine Kennziffer zu bekommen, die nichts aussagt und keinem weiterhilft. Einzig die Normforderung nach einer Beurteilung wurde erfüllt.

Man kann allerdings auch versuchen, die Forderung der ISO 9001 nach einer Lieferantenbewertung pragmatisch umzusetzen. Man kann zum Beispiel auch eine Kennzahl bilden, die aussagt, wie viele Lieferungen eines Lieferanten innerhalb der vereinbarten Lieferzeit (oder verspätet) angeliefert wurden und wie viele Lieferungen korrekt waren (oder reklamiert werden mussten). Damit hat man mit einer einfachen Kennzahl sowohl den Qualitäts- als auch den Zeitfaktor abgedeckt und somit eine Kennzahl mit einer wirklichen Aussagekraft geschaffen. Und das auch noch mit deutlich weniger Aufwand als im Beispiel der ersten Kennzahl.

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Fazit

Die Forderungen der ISO 9001 sind gesunder Menschenverstand. Leider ist dies in der Umsetzung häufig nicht der Fall. Doch wer nicht den gesunden Menschenverstand bei der Umsetzung anwendet, darf dafür nicht der Norm die Schuld gegeben werden.

Es gibt teilweise Firmen, die ein Qualitätsmanagementsystem basierend auf den Anforderungen dokumentiert haben, dies unternehmensintern führen allerdings nicht nach ISO 9001 zertifiziert sind. Denn so sehr auch die darin enthaltenen Anforderungen gesunder Menschenverstand sind, so ist es eine Zertifizierung nicht zwangsläufig.

Gerade bei kleinen Unternehmen ist der eigentliche Vorgang einer Zertifizierung ein verhältnismäßig hoher Kostenfaktor, der nicht im Verhältnis zu den Vorteilen des Zertifikates steht. Denn den eigentlichen Vorteil aus einem Qualitätsmanagementsystem zieht das Unternehmen aus dem Qualitätsmanagementsystem an sich und aus dessen Vorteilen, die es für ein Unternehmen bringt.

Das Stück Papier an der Wand (das Zertifikat) ist dann sozusagen nur das Sahnehäubchen, mit dem eine externe unabhängige Partei bestätigt, dass ein dementsprechendes Qualitätsmanagementsystem angewendet bzw. geführt wird. Ob ein Unternehmen dieses Sahnehäubchen haben möchte, kann und sollte jedes Unternehmen für sich selbst entscheiden.

Michael Thode

Michael Thode ist Gründer und Inhaber der Lösungsfabrik Thode und Partner. Seit 10 Jahren unterstützt er vor allem kleine und mittelständische Unternehmen im Bereich Qualitätsmanagement und der ISO 9001. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt dabei auf der pragmatischen Umsetzung der ISO 9001, so dass das Qualitätsmanagementsystem kein Bürokratiemonster wird, sondern ein nachhaltiger Baustein für das Unternehmenswachstum darstellt.

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One Comment

  • Sabine Lueg sagt:

    Schön wär’s, dass man sich das „Sahnehäubchen“ aussuchen kann.
    Es gibt genügend Kunden, die einen Lieferanten zur Zertifizierung zwingen. Ohne Zertifikat keine Aufträge. Auch nach jahrzehntelanger, problemloser Zusammenarbeit ohne Zertifizierung.

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