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Beschallt das Wort Ethik den Raum, kann man schon mal missmutige Zuckungen in den Gesichtern einiger Zuhörer ausmachen. Allerdings ist ein Hände-über-den-Kopf-schlagen in der Öffentlichkeit verpönt. Ein rollendes Auge geht. In besonders harten Fällen dürfen sich auch beide Augen schräg stellen, solange bis sich Gedanken wieder ihrer Konditionierung besinnen. Dann leidet das Wort Ethik an einer plötzlich auftauchenden Vergänglichkeit und mag an eine liegengebliebene Apfelsine erinnern. 

Leitsätze und Regelwerke 

Der quälende Nebeneffekt, den der Begriff zuweilen auslöst, mag schlichtweg in der Häufigkeit seines Gebrauches und seiner Interpretation liegen. Skandale in der Wirtschaft und katastrophenähnliche Zustände in anderen Bereichen der Gesellschaft haben den Menschen zu Kreativität und zur Aufstellung neuer Regeln verleiten lassen. Mit einer Ethik im Hinterkopf wurden „Corporate Gouvernance“ und „Code of Conduct“ geschaffen; zumindest schriftlich. Zuweilen geben sie vor, den Schein zu wahren, zuweilen gibt es Unternehmen, die es als erstrebenswert betrachten, sich an jenen Verhaltenskodex zu halten. Demnach führt kein Weg daran vorbei, mal nett und respektvoll zu seinen KollegInnen und seinen Mitmenschen zu sein. 

Wenn sich Dissonanzen zu erkennen geben

Nun haben wir eine bessere Welt, keinen Hunger mehr und ewigen Frieden. Oder doch nicht? 

Körperliche Zuckungen sind meist Reaktionen auf kognitive Dissonanzen. Sie entstehen, wenn der Mensch auf unvereinbare Meinungsbilder oder Gedankengänge stößt, die von seinem Ego erst einmal als bedrohliche Elemente wahrgenommen werden. Ethik kann so etwas sein. Nämlich dann, wenn ein einziges Wort mit der schweißtreibender Vorstellung verbunden wird, plötzlich nicht nur an sich zu denken, sondern tolerant zu sein, MitarbeiterInnen ausreden zu lassen, des Führerscheins vermeintlich unwürdige VerkehrsteilnehmerInnen mit einem Lächeln zu begegnen, auf (Not-) Lügen zu verzichten und einen Teil zum Gemeinwohl beizutragen. Möglicherweise ist die Fairness für manch einen eine unzumutbare Ideologie, weil es keine deutsche Übersetzung für sie gibt. 

Vom Wirken mahnender Pflichtlektüren

Ethik, begleitet mit einem mahnenden Finger und hochgezogenen Augenbrauen zu vermitteln, erscheint aussichtslos zu sein. Und Wer nicht hören will, muss fühlen! führt, angesichts einer nur gelegentlich kommunizierten Abweichung innerhalb wirtschaftlicher Geschehen, auch nur dann zur Einsicht, wenn Scheinwerfer auf sie gerichtet sind. Vermutlich. Tatsache ist aber, dass es solche Scheinwerfer nicht überall geben kann. MitarbeiterInnen treten dann an ihre Stellen, decken Schwachstellen auf und ziehen ihre Konsequenzen, wenn sie es sich leisten können. Wenn nicht, wird geschwiegen, ausgeharrt, eben weil die Arbeit noch nie ein Zuckerschlecken war. 

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Tu Gutes und vergiss das Reden nicht

Über Sinnhaftigkeit lässt sich nicht streiten. Entweder etwas macht Sinn oder es macht keinen Sinn. Voraussetzung ist, jemand hat sich zuvor Gedanken gemacht, war in der Lage, sein Bewusstsein zu orten und war ferner befähigt, das Ergebnis jener Selbstbetrachtungen in Worte zu fassen und diese mittels festgeschriebener Werte zu kommunizieren. Vorreiter, die zum Beispiel den Faktor Wirtschaft aus einem anderen, minder diffusen Licht betrachten. Demnach kann Wirtschaft durchaus mit Sinnhaftigkeit, sprich Ethik funktionieren. Prämisse: Verantwortungsbewusstes Handeln und ein auf Ganzheitlichkeit abzielendes Erfolgsstreben. 

Worauf moderne Unternehmen heute setzen müssen

Wer es noch nicht gemerkt hat: Die heutige junge Generation widersetzt sich jeder Vergleichbarkeit. Da steckt eine Portion Frechheit und Querulanz hinter der Erwartung, sich mit dem Unternehmen, durch das sie ihr Einkommen erzielen, identifizieren zu wollen. Transparenz soll nun gewährleistet werden. Mitspracherechte werden eingefordert und wenn die bestehende Organisation keine persönliche Entfaltung gewährleistet, wird der Job rigoros gewechselt. Vorbei erscheinen die karrieregeilen egomanischen und mit Ellenbogenmentalität ausgestatteten Highflyer mit ihren zwölf bis fünfzehn pulshochtreibenden Stunden. Heute will man Muse, man will diskussionsloses Vertrauen und Ethik. Man will das Richtige tun und sich glückselig in den Spiegel sehen können und man will sich für Geschäftsmodelle einsetzen, die wegweisend einer Nachhaltigkeit standhalten. 

Ethik heißt auch: Respekt vor dem Leben

Apropos junge Generation: Was haben Küken mit Ethik zu tun? Nun, es gibt zum Beispiel EinzelhändlerInnen, die die Zusammenarbeit mit Geflügelfarmen ablehnen, wenn deren männliche Küken unmittelbar nach dem Schlüpfen umgebracht werden. Noch immer werden 45 Millionen Küken jährlich in Europa geschreddert oder vergast. Ethik heißt: Ein wenig mehr Geld für Eier zu bezahlen, damit das Gewissen siegt, damit sich der Mensch mit Respekt dem Leben gegenüber als Mensch behaupten kann. Auch im Business. Erst recht im Business. 

Ralph Goltdammer

Ralph Goltdammer ist selbständiger Unternehmensberater und Interim Manager für Restrukturierung und Transformation und assoziierter Partner von Dr. Kraus und Partner, die Change Berater. Kontakt: r.goltdammer@goltdammer-partner.de

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