Kontroverse Ansichten zur Zukunft von Telearbeit
Ob und inwieweit sich Telearbeit entwickelt oder ihren Höhepunkt erreicht hat, wird von Experten unterschiedlich bewertet. Dies zeigen schon die Auseinandersetzungen mit Themen wie Videokonferenzen oder E-Learning Anfang der 1990er Jahre, die zunächst heiß gehandelt wurden, im Laufe der Zeit dann aber ihre Strahlkraft verloren. Die weitere Entwicklung von Telearbeit hingegen wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Einige Experten sehen in der Technik den entscheidenden Treiber, vor allem im Bandbreitenwachstum, der Speicher- und Kameratechnologie und im Web 2.0.
„Uns erwartet eine ‚Total-Recall-Technologie’”, drückt es beispielsweise der Chef-Futurologe der British Telecom, Ian Pearson, aus. Er sieht in der Telearbeit eine vorübergehende Erscheinung, einen weiteren Schritt hin zur informatisierten Maschinengesellschaft. Die reine Teleheimarbeit in Form einfach strukturierter Daten- oder Texteingabe hat indes keine Zukunft, denn dies wird künftig durch Lesegräte oder andere technische Hilfsmittel erledigt. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Argumente für Telearbeit wurden schon in den 1990er Jahren genannt:
· Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
· Wegezeit- und Energieersparnisse
· Effizientere Nutzung von Büro- und Parkflächen
· Reduzierter Krankenstand
· Ungestörtes Arbeiten in den eigenen vier Wänden
· Flexible Arbeitszeitgestaltung
· Beschäftigungsmöglichkeiten für Mütter und Behinderte
Entsprechend unterschiedlich war auch das Interesse am Thema. Studien aus der Frühzeit der Telearbeit hatten psychologische, IT-technische, arbeitsrechtliche, bürotechnische und energie- und familienpolitische Aspekte zum Inhalt. Es bleibt abzuwarten, ob der prognostizierte Fachkräftemangel der Telearbeit einen Wachstumsschub verleiht, wie es die Forscher der Brother-Studie vermuten. Sie glauben, dass Unternehmen nun auch in Nischen nach qualifizierten Arbeitskräften suchen, etwa bei jungen Müttern. Außerdem werden attraktive Arbeitsbedingungen unter Einbeziehung von „E-Work” zu einem wichtigen Lockmittel für sogenannte High Potentials. Dies ist allerdings kritisch zu sehen, da Wachstumsimpulse eher dem Trend zur Projektifizierung von Arbeit, die nationale und internationale Netzwerkkooperationen mit sich bringen, entspringen.
Telearbeit ist fester Bestandteil der modernen Arbeitswelt
Nicht wenige Experten wiederum stehen der Expansion von Telearbeit eher skeptisch gegenüber. Ihre Argumente:
· Sorge der Vorgesetzten vor Kontroll- und Machtverlust
· Karriereeinbußen infolge der Abwesenheit vom Büro
· Gefahr der Selbstausbeutung
· Soziale Isolation
· Fehlender Ideenaustausch im persönlichen Gespräch
Einer Studie des Dienstleisters für Markt- und Meinungsforschung Ipsos zufolge, glauben zwei von drei Befragten weltweit, dass Arbeitnehmer, die Telearbeit nutzen, produktiver sind als die Kollegen im Büro. Auch in Deutschland stimmen 62 Prozent der Befragten dieser Aussage zu.
Telearbeit hat sich mittlerweile zu einem festen Bestandteil der modernen Arbeitswelt entwickelt und wird deshalb eine wichtige Rolle im Gefüge des Gesamtsystems Arbeit spielen. Die Voraussetzungen sind gut: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes verfügten schon 2011 28 Millionen Haushalte über eine schnelle Internetverbindung (Breitbandanschluss). Heute ermöglichen Tablet PCs oder Smartphones den Zugriff auf wichtige Unternehmensdaten. Da stellt sich die Frage: Wie wichtig ist der Büroschreibtisch, wenn er vielleicht an nur 150 Tagen im Jahr genutzt wird? Adam Smith hatte die Trennung von Heim und Arbeit als die wichtigste aller modernen Arbeitsteilungen bezeichnet. Die Wissensgesellschaft könnte diese Trennung aufheben, sodass sich Arbeit und Wohnen wieder vereinigen.
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