Die Schlange an der Kinokasse ist lang: 14 Personen warten darauf, dass sie dran sind und schauen entweder in fröhlicher Vorfreude, genervt oder in Gedanken versunken vor sich hin. Eben durch den Eingang kommend, nähert sich ein weiterer Cineast der Schlange – der allerdings denkt nicht daran, sich am Ende anzustellen; stattdessen marschiert er völlig selbstverständlich an den Wartenden vorbei und gesellt sich neben den am Anfang der Schlange Befindlichen, der soeben seine Karte erhalten hat. Was, glauben Sie, passiert jetzt?
Gehen Sie ruhig davon aus, dass mindestens die Hälfte der Personen körpersprachlich auf den vermeintlichen Vordrängler reagiert: Die häufigste Variante ist ein Vorstellen des Fußes, alternativ bietet sich noch das Recken des Kopfes an („Was ist da vorne los?“) und wer die Hände bis eben noch abwartend in den Hosentaschen hatte, nimmt diese nun in Erwartung eines möglichen Einsatzes („Da drängelt einer, ich muss eingreifen!“) heraus. Männer werfen sich überdies nicht selten noch zusätzlich „angriffsbereit“ in die Brust.
Körpersprache ist manipulativ
Dieses Beispiel zeigt: Körpersprache ist höchst manipulativ. Der „Vordrängler“ hatte schließlich nicht nur kein Wort gesprochen, sondern sich ja auch gar nicht wirklich vorgedrängelt; er hatte sich lediglich an einen für einen Nachzügler unüblichen Platz gestellt. Doch die meisten Menschen reagieren vorhersehbar, wenngleich sie sich dessen sogar im Moment des Ausführens nicht bewusst sind; und es oftmals auch gar nicht wahrhaben wollen.
Besonders deutlich wird dies in einem interessanten Versuch der University of Minnesota: Auf die Ablage einer Telefonzelle wurde eine Münze gelegt. Der Tester wartete in einiger Entfernung, bis jemand die Münze sah und einsteckte. Diese Person sprach der Tester dann an und fragte: „Haben sie zufällig eine Münze in der Telefonzelle gesehen? Ich habe sie vorhin versehentlich dort liegen lassen, aber ich brauche sie noch für ein Telefonat.“ 23 % Prozent der befragten Deutschen räumten ein, die Münze eingesteckt zu haben und gaben sie zurück. Im zweiten Versuchsdurchlauf wurde die anschließende Fragestellung durch eine leichte Berührung am Ellbogen des „Finders“ durch den Fragenden unterstützt. Nun gaben 85 % der Finder zu, die Münze zu haben. 85 % – mehr als das Dreifache im Vergleich zum ersten Testdurchlauf!
Unbewusste Berührungen erzeugt Nähe
Die Gründe für diesen erstaunlichen Unterschied: Eine Berührung des Ellbogens mit geöffneter Hand ist so unaufdringlich, dass sie in den meisten Fällen nicht bewusst wahr genommen wird. Auch bei Vorträgen, bei denen der Autor dieses Artikels diesen Versuch mit einem Teilnehmer demonstriert, erinnert sich dieser nur in den seltensten Fällen an die Berührung; und auch den anderen Zuschauern fällt sie so gut wie nie auf.
Da körperliche Berührungen in der deutschen Kultur eher unüblich sind, beeindruckt ein solches Verhalten den Probanden jedoch selbst dann, wenn es nicht bewusst wahrgenommen wird. Durch die Berührung entsteht eine „Nähe“ zwischen zwei Menschen, die es dem Großteil der getesteten Personen schwer machte, den Frager zu belügen. Auch in der Gastronomie kennt man diesen Effekt, der bis hin zur dreifachen Höhe des sonst üblichen Trinkgeldes führen kann.
Auch Politiker kommen an der Berücksichtigung körpersprachlicher Aspekte längst nicht mehr vorbei: So wird bei Staatsempfängen der Gastgeber üblicherweise immer auf der aus Kamerasicht linken Seite stehen, wenn er seine Gäste mit Handschlag willkommen heißt; eine Tatsache, die nicht etwa den Räumlichkeiten geschuldet ist, sondern die den Umstand berücksichtigt, dass der Betrachter diese Hand als Ober- und damit „Führungshand“ wahrnimmt.
Körpersprache beeinflusst Meinungsbildung
Dass insbesondere in der Politik das „Phrasen dreschen“ beheimatet ist, ist ohnehin allseits bekannt. Doch auch die Körpersprache hat enormen Anteil an der Meinungsbildung – in beide Richtungen. Deutlich wurde dies erstmals beim ersten live im TV übertragenen Rededuell um eine politische Führungsposition. Es fand statt am 26. September 1960 zwischen den US-Präsidentschaftskandidaten John F. Kennedy und Richard Nixon und hob eindrucksvoll die enorme Bedeutung von Körpersprache und Auftritt hervor. Während Nixon – ungünstigerweise im grauen Anzug – blass war, deutlich schwitzte und ernst und angestrengt dreinschaute, überzeugte Kennedy durch ein vitales, sonnengebräuntes Äußeres und ein gewinnendes Lächeln. Interessanterweise waren die Radiohörer mehrheitlich von Nixons Argumentation überzeugt; hatten sie doch schließlich kein sie beeinflussendes Bild der Kontrahenten vor Augen. Doch das Fernsehen tat seine Wirkung und wer gewann, ist bekannt.
Heute, in einer Zeit, in der Bilder und Filme innerhalb von Sekunden ins Netz gestellt und von Millionen Menschen rund um die Welt betrachtet, bewertet und weiter geleitet werden können, ist es nahezu sträflich, derlei Aspekte nicht zu berücksichtigen.
Beispiel Tagespolitik
Als Hillary Clinton vor einigen Wochen beim Einsteigen in ihr Flugzeug über die Schwelle stolperte und hinfiel, löschte wenige Sekunden darauf ein Mitarbeiter das Licht – freilich zu spät, denn die Kameras, in die sie kurz zuvor noch gewunken hatte, hatten bereits alles „im Kasten“. Was der Mitarbeiter verhindern wollte, war die unterschwellige Botschaft, die bei diesen Bildern mit über den Fernseher läuft: ‚Die US-Außenministerin ist gestürzt. Sie braucht Hilfe, um wieder auf die Beine zu kommen.‘
Beispiel Wahlkampf
Wir kennen die Geste des gestreckten Zeigefingers, mit dem der Kandidat vor seinen jubelnden Anhängern steht, auf einen offenbar in der Menge stehenden Bekannten deutet und diesem etwas zuruft. Fraglich ist, ob es sich dabei tatsächlich um eine reale Person handelt; viel entscheidender nämlich ist die auf diese Weise transportierte Nachricht: „Da oben steht jemand aus unserer Mitte. Und er erinnert sich auch im Moment des Erfolges noch an jeden Einzelnen von uns!“
Beispiel Talkshow
Der Politiker umfasst beim Handgruß zusätzlich den Arm des Moderators, ergreift also körpersprachlich „Besitz“ von ihm und demonstriert damit – auch im Hinblick auf die Tatsache, dass er sich als Studiogast die Kamerapositionen meist nicht aussuchen kann – einen Führungsanspruch. Mit dieser oder einer ähnlichen Geste reagieren bei Staatsempfängen oft auch die auf der rechten Seite stehenden Politiker, um die „Oberhand“ ihres Gegenübers auszugleichen.
Die Bereitschaft, politischen Aussagen Glauben zu schenken, ist in den letzten Jahren stetig gesunken. Je beliebiger und austauschbarer Parteiprogramme und Wahlversprechen jedoch sind, desto wichtiger wird die Tatsache, dass Ansichten ganz enorm von Gestik, Mimik und äußerem Erscheinungsbild beeinflusst werden.
Vermutlich wollen die meisten von uns nicht wahrhaben, dass sie auf solche „Äußerlichkeiten“ reagieren – zumal sie uns oft genug ja noch nicht einmal bewusst sind. Doch in einer derart medialen Welt sollte man sich die Frage stellen, inwieweit objektive Meinungsbildung überhaupt noch möglich ist. Dass Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, sich jede verfügbare Form der Einflussnahme zunutze machen, mag man ihnen vorwerfen; unser Verhalten jedenfalls gibt ihnen oft genug Recht.
(Bild: © iStockphoto.com)
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