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(den ersten Teil finden Sie hier)

Ein Fallbeispiel

Ein mittelständischer Hersteller von individuell anpassbaren Kalendern formulierte 2009 als Ziel, mehr Folgeaufträge von Kunden zu erhalten. Dieses Ziel wollte er durch eine höhere Kundenzufriedenheit erreichen. Und die Kundenzufriedenheit hing nach Auffassung der Unternehmensleitung außer vom Preis und der Qualität des Produkts auch stark von der Dauer der Angebotsbearbeitung sowie Auftragsabwicklung ab.

Dabei ließ sich die Herstellung in die Vorproduktion der standardisierten Einzelteile und deren auftragsbezogenes Zusammenfügen zu fertigen Kalender unterteilen.

Zunächst erwog das Unternehmen, zum Steuern all dieser Prozesse eine Standardsoftware einzuführen, die dessen Hersteller an die Abläufe im Unternehmen anpasst und mit einigen Spezialmodulen versieht. Bei der Kulturanalyse zeigte sich aber: In dem Unternehmen wird aktuell viel Wert auf „individuelle Gestaltungsfreiheit“ sowie „Flexibilität“ gelegt (Stufe 7, siehe Schaubild in Teil 1).

Und angestrebt werden seitens der Unternehmensleitung ein langfristig unternehmerisch-strategisches Denken und Verhalten, das mit kurzen Reaktionszeiten und einem „unbürokratischen“ Eingehen auf individuelle Kundenwünsche einher geht (Stufe 5, siehe Schaubild in Teil 1).

Vor diesem Hintergrund wurde der Unternehmensleitung allmählich klar: Eine Standardsoftware, die die Geschäftsprozesse und -abläufe sehr stark standardisiert, würde sowohl den heutigen als auch den angestrebten künftigen Werten zuwider laufen, da sie am ehesten zu solchen Werten wie Ordnung, Kontrolle und Disziplin passt (Stufe 4, siehe Schaubild in Teil 1). Akzeptanzprobleme wären folglich vorprogrammiert!

Aufgrund dieses Befunds entschied sich das Unternehmen für folgende organisatorische Strategie: Parallel zum IT-Projekt veränderte es seine Organisationsstruktur hin zu kleinen flexiblen Einheiten, die weitgehend selbstständig und eigenverantwortlich handeln, aber miteinander vernetzt und einem gemeinsamen Wertesystem verpflichtet sind (Stufe 6, siehe Schaubild in Teil 1). Und für das IT-System wurden unter anderem folgende Anforderungen formuliert:

  • Es soll für mehr Transparenz über die relevanten unternehmerischen Kennzahlen (Bearbeitungszeiten für Angebote und Aufträge, Auftragsvolumen Neukunden und Bestandskunden, Bearbeitungsstatus, Prioritäten, etc.) sorgen, um das unternehmerische Denken zu fördern (Stufe 5, siehe Schaubild in Teil 1). Und:
  • Es soll eine Pflegefunktionalität erhalten, um die für die Zielerreichung relevanten Arbeitsschritte und die Vorgaben für zeitliche Dauer zu erfassen – jedoch ohne detaillierte Prozessvorgaben. Vielmehr sollen die Anwender Übersichten über die jeweils nächsten Arbeitsschritte bei der Angebots- und Auftragsbearbeitung erhalten, mit deren Hilfe sie dann autonom über die Erledigung der Arbeitsschritte entscheiden und den Bearbeitungsstatus im System dokumentieren können (Stufe 5 und 6, siehe Schaubild in Teil 1).

Aufgrund der angestrebten Organisationsstruktur und der formulierten IT-Anforderungen entschied sich das Unternehmen letztlich für ein IT-System mit wenigen Standardkomponenten, die im Wesentlichen bei der Vorproduktion und Abrechnung zum Einsatz kommen. Für die individuelle Angebots- und Auftragsbearbeitung hingegen wurde das System von Beginn an als offenes Workflow-Management-System konzipiert.

Diese gewählte Lösung trug nicht nur der aktuellen Unternehmenskultur Rechnung, sie ermöglicht auch die langfristige Transformation zur angestrebten Unternehmenskultur. Deshalb hatten die Anwender bei der gefundenen organisatorischen und informationstechnischen Lösung auch das Gefühl, dass sie ihren Bedürfnissen entspricht. Entsprechend hoch ist ihre Akzeptanz.

Fazit

Wenn Sie bei der Auswahl von IT-Systemen neben den offensichtlichen funktionalen Anforderungen an das System auch die aktuellen und angestrebten Werte im Unternehmen berücksichtigen, erhalten Sie mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit ein „stimmiges“ IT-System. Folglich treten auch weniger Widerstände und Akzeptanzprobleme auf. Deshalb sind auch weniger ungeplante Änderungen im Verlauf des Projekts beziehungsweise gegen Ende des Projekts nötig. Dies gleicht den geringen Mehraufwand beim Planen des Projekts mehr als aus.

Linktipps

IT-Systeme und Unternehmenswerte: Es muss nicht immer SAP sein! (Teil I)

(Bild: © ktsdesign – Fotolia.com)

Jürgen Rohr

Jürgen Rohr ist Inhaber der Projektmanagement-Beratung Vedanova, Wiesbaden (Tel.: 0611/97 774 403; E-Mail: juergen.rohr@vedanova.de). Er ist Co-Autor des Buchs „Prozessorientiertes Projektmanagement“, Hanser Verlag.

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