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Es ist Montagnacht, 3:00 Uhr. Der Funkmeldeempfänger meines Löschzugs der Freiwilligen Feuerwehr vibriert höllisch auf meinem Nachtisch. Es ähnelt dem Geräusch einer Schlagbohrmaschine – direkt neben meinem Ohr!

Ich spule das übliche Procedere ab: Aus dem Bett hochschnellen, Licht einschalten, versuchen, durch die schlaftrunkenen Augen irgendetwas auf dem rot blinkenden Display des vibrierenden Funkmelders zu erkennen. Ich lese: „Technische Hilfe, Verkehrsunfall, verletzte Person“.

Ich fahre mit heißen Reifen zum Feuerwehrgerätehaus, es regnet in Strömen. Ein Kamerad ist bereits vor mir dort, lässt die Rolltore hoch, man sieht die roten Löschfahrzeuge. In Windeseile ziehen sich die Kameraden die Einsatzkleidung an, wir rücken sofort mit Martinhorn und Blaulicht aus. Wir fahren über die Landstraße orts-auswärts und biegen in die Bundesstraße ein. Schweigen im Mannschaftsraum – keiner weiß Genaueres. Wir kommen am Einsatzort an, sehen aber im ersten Augenblick kein verunfalltes Fahrzeug. Das hat seinen Grund: Das Fahrzeug ist mit derart hoher Schnelligkeit verunfallt, dass es zwischen drei sehr starken Bäumen in ca. 5 m Höhe hängen geblieben ist. Unser Löschzugführer steigt vom Fahrzeug ab, erkundet die Lage, kommt zurück zum Fahrzeug und befiehlt der Besatzung: Absitzen, hinter dem Fahrzeug aufstellen.

Schon kommen die ersten Widerworte eines Kameraden: „Müssen wir bei diesem schlechten Wetter wirklich raus? Es ist mitten in der Nacht, muss das sein?“ Ein zweiter Kamerad pflichtet ihm bei: „Wir bekommen immer diese schwierigen Einsätze, kann das nicht mal an anderer Löschzug machen?“

Feuerwehrleute geben im Einsatz 100 % – immer

Ich beschreibe hier für dich einen realen Einsatz meines Löschzugs und natürlich merkst du sofort, dass der letzte Absatz völlig an den Haaren herbeigezogen ist. Denn niemand, der sich bei der Feuerwehr aktiv engagiert, würde so auf einen Einsatzbefehl reagieren, sowohl bei der freiwilligen als auch bei der hauptamtlichen Feuerwehr.

Feuerwehrleute machen ihren Job in aller Regel aus Leidenschaft. Es ist für sie kein Job, sondern eine Berufung.

Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes mit Feuer und Flamme dabei. Niemand ist bei der Feuerwehr, um viel Geld zu verdienen – weder die beruflichen, ganz sicher auch nicht die freiwilligen Feuerwehrleute. Also kann Geld nicht der Antreiber sein.

Insbesondere im Vertrieb versuchen Unternehmen jedoch häufig nahezu verzweifelt, mit immer komplexeren Provisionsvereinbarungen Menschen nachhaltig zu motivieren. Dass das nicht funktioniert, weißt du. Gute Verkäufer musst du leistungsgerecht und gut bezahlen – das steht völlig außer Frage. Geld reicht aber nicht aus, um eine ähnliche Leidenschaft zu entfachen, wie das bei der Feuerwehr unentgeltlich gelingt. Warum das so ist, liegt auf der Hand. Eine Studie der Princeton University kommt unter Mitwirkung von Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman zu dem Schluss, dass US-Amerikaner ab einem Einkommen von 75.000 $ keinen spürbaren Anstieg des Lebensglücks spüren. Das bedeutet, dass der finanzielle Anreiz darüber hinaus nahezu verpufft. Befriedigte Bedürfnisse motivieren eben nicht.

EXTRA: Die Mitarbeitermotivation – Ein kleiner Leitfaden für großes Engagement

Die Antwort auf das Warum bringt Glück ins Vertriebsleben

Wie funktioniert es dann, wenn eine leistungsgerechte Bezahlung zwar eine Grundlage ist, aber nicht ausreicht, um Mannschaften „brennen“ zu lassen? Wenn du erreichen möchtest, dass deine Mannschaft ähnlich leidenschaftlich ans Werk geht wie ein Löschzug im Einsatz, dann unterscheide vor allem zwischen hedonischem Glück (kurzfristiges Wohlfühlen, angenehme Tätigkeiten) und eudaimonischem Glück (Glücksgefühl, wenn wichtige Werte erfüllt werden). Das hedonische Glück hält kürzer an, das eudaimonische ist intensiver und hält länger an.

Feuerwehrleute haben eine ausgeglichene Balance zwischen hedonischem Glück (beispielsweise ein geselliger Kameradschaftsabend) und eudaimonischem Glück (sie tun etwas Sinnvolles, was ihre wichtigen Werte betrifft, und können dabei auch noch ihre Stärken einsetzen).

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Fragt man Feuerwehrleute, warum sie ihren Job ausüben (schlechte oder keine Bezahlung, üble Einsatzzeiten), so kommt häufig die Antwort, dass es eine sinnvolle Tätigkeit ist. Für den Vertrieb bedeutet das, mit den Verkäufern zusammen eine Antwort zu erarbeiten, warum es sich für jeden Einzelnen und das Team lohnt, 100 % zu geben. Bei der Feuerwehr ist das zum Beispiel der Hinweis, sehr schnelle Anrückezeiten zu erreichen, um den Menschen schnell zu helfen – auch um Leben zu retten, denn manchmal kommt es auf jede Sekunde an. Eine Motivation kann auch sein, einfach mal die zittrige Hand einer dankbaren Oma zu schütteln, deren Katze gerade gerettet wurde.

Im Vertrieb bedeutet das, auch neben den reinen Umsatzzahlen gemeinsame Leitbilder zu erarbeiten, auf die es sich hinzuarbeiten lohnt. Formuliere eine Zukunftsstory, wo dein Vertrieb bzw. deine Firma im Jahr 2025 steht. Nehmen wir an, ein Portal wie unternehmer.de würde über deinen Vertrieb berichten, was würde in diesem Artikel stehen, worauf wäre die Mannschaft stolz?

Nackte Zahlen aktivieren in den Emotionssystemen der Verkäufer rein gar nichts.

Gemeinsam erarbeitete Leitbilder, konkrete Ideen und Bilder, was in solch einem Artikel im Jahr 2025 stehen soll, weckt die Lust am Gewinnen, lässt den Verkäufer Rückschläge besser verarbeiten, denn er hat eine Antwort darauf, warum er hartnäckig dranbleiben sollte. Ein solches Leitbild ist etwa, dass die Firma die branchenweit anerkannte Nr. 1 in einem bestimmten Markt ist. Es kann sein, dass man wichtige Awards in der Branche gewinnt oder denjenigen Stand auf der Branchenmesse sein Eigen nennt, den Konkurrenten und Kunden gleichermaßen verblüfft bewundern. Es kann sein, dass du Marktbegleiter aufkaufst – was auch immer. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt.

Also: Erarbeite mit deinem Team ein sinnstiftendes Leitbild, damit jeder, der Teil der Mannschaft ist, sagen kann: „Ich arbeite mit daran, dass wir XY erreichen – und darauf bin ich stolz.“

Erarbeite mit dem Team, warum es sich lohnt, immer wieder aufzustehen

Und das ist der Grund, warum Feuerwehrleute auch nach dem 20. Fehlalarm immer noch mit gleich hoher Einsatzbereitschaft zum Einsatz fahren. Sie wissen, warum sie das tun. Wenn der fünfte Einsatz bei Kälte, Nacht und Nebel die Motivation kurzfristig runterzieht, haben sie immer eine Antwort darauf, warum es sinnvoll ist, auch diese unangenehme Aufgabe zu übernehmen.

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✓ 10 unmögliche Verkaufsfloskeln, die potenzielle Käufer verschrecken
✓ Brauchen wir in Unternehmen eine Fehlerkultur?
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Stephan Kober

Stephan Kober ist Experte für den B2B-Vertrieb, Vortragsredner, Autor und Trainer. Sein Buch „Klartext im Vertrieb. Wie Sie mit entwaffnender Ehrlichkeit Vertrauen aufbauen und Kunden gewinnen“ ist bei Springer Gabler erschienen. Seine Kunden sind Kongressveranstalter, Mittelständler, Weltmarktführer sowie TecDAX-Unternehmen. Als Silber-Preisträger des Europäischen Preises für Training, Beratung und Coaching 2015/2016 (BDVT) kombiniert er zwei Jahrzehnte B2B-Vertriebserfahrung mit einem MBA-Abschluss an einer renommierten englischen Universität.

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