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Bis weit in die 1990er Jahre stand die rechtliche Durchsetzung von Mitbestimmungsrechten im Mittelpunkt der Betriebsratsarbeit. In den Beschlussverfahren wurden kollektiv- oder arbeitsrechtliche Streitigkeiten ausgetragen. Bei Verhandlungen über Betriebsvereinbarungen standen vor allem Rechtsprobleme – etwa bei der Datenverarbeitung und der Arbeitszeitgestaltung – im Vordergrund.

Inzwischen ist die Komplexität der betrieblichen Arbeit deutlich gestiegen, so dass auch die Unterstützung von nichtjuristischen Sachverständigen notwendig sein kann. Zur weitaus größten Gruppe der nichtjuristischen Berater zählen Betriebswirte, aber auch Psychologen, Therapeuten und Mediatoren kämpfen um diesen Wachstumsmarkt. Aber wann ist welche Beratung erforderlich und auf welcher Rechtsgrundlage steht sie?

Die Unterstützung des Betriebsrats durch Sachverständige

Gemäß § 80 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) kann der Betriebsrat zu seiner Unterstützung Sachverständige hinzuziehen. Diese vermitteln dem Betriebsrat Kenntnisse, die er bei der Durchführung seiner Aufgaben benötigt, selbst aber nicht besitzt.

Das kann sich auf ganz unterschiedliche Gebiete beziehen: von versicherungstechnischen Kenntnissen bei der Beratung über eine betriebliche Altersversorgung, arbeitswissenschaftlichen Kenntnisse bei Fragen des Arbeitsschutzes oder betriebswirtschaftlichen Kenntnisse bei Beratungen bis zu Betriebsänderungen und der Beschäftigungssicherung. Auch die Erläuterung betriebsbezogener Gutachten oder Untersuchungen im Rahmen einer Betriebsversammlung können zur Tätigkeit eines Sachverständigen gehören. EDV-Sachverständige unterstützen den Betriebsrat bei der Verhandlung von Regelungen zur Personaldatenverarbeitung.

Aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit sollte der Betriebsrat bei der Beschussfassung zunächst prüfen, ob die fehlenden Kenntnisse nicht durch einen Mitarbeiter des Unternehmens vermittelt werden können. Der vorrangige Rückgriff auf im Unternehmen vorhandenes Wissen ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Kosten in Erwägung zu ziehen.

Allerdings ist der Betriebsrat in der Gestaltung seiner Arbeit grundsätzlich unabhängig und kann daher in der Regel externe Sachverständige auch dann heranziehen, wenn dies mit höheren Kosten für das Unternehmen verbunden ist. Belegen muss er in jedem Fall, dass die nachgefragten Kenntnisse in einer bestimmten Betriebsratsangelegenheit nur mittels externer Unterstützung gefüllt werden können.

Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich

Wird ein Sachverständiger nach § 80 Abs. 3 BetrVG hinzugezogen, muss über die Person des Sachverständigen, den Umfang und Inhalt seiner Arbeit und das Honorar eine „nähere Vereinbarung mit dem Arbeitgeber“ geschlossen werden. Wird der Externe ohne eine vorherige Verständigung mit dem Arbeitgeber tätig, riskiert er einen vollständigen Vergütungsausfall.

Ohne Einvernehmen kann der Betriebsrat die „nähere Vereinbarung“ nur gerichtlich durchsetzen. Eine einstweilige Verfügung ist ausgeschlossen, denn mit der vorläufigen Sicherungsfunktion dieses Rechtsmittels ist die Durchsetzung der Tätigkeit des Externen nicht zu vereinbaren und eine „nähere Vereinbarung“ könnte vom Gericht nicht ersatzweise getroffen werden.

Die Unterstützung des Wirtschaftsausschusses durch Sachverständige

Auch ein vom Betriebsrat gegründeter Wirtschaftsausschuss hat das Recht, einen Sachverständigen zu verlangen. Gemäß § 108 Abs. 2 BetrVG kann dieser eine solche Unterstützung erhalten, allerdings auch nur nach vorheriger Vereinbarung mit dem Arbeitgeber über Person, Honorar und sonstige Modalitäten der Sachverständigentätigkeit. Unter diesen Voraussetzungen ist die Teilnahme des Sachverständigen an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses gestattet.

Aufgabe des Sachverständigen ist es, dem Wirtschaftsausschuss die ihm zur Beurteilung einer konkreten aktuellen Frage fehlenden fachlichen Kenntnisse zu vermitteln. Es geht im Wesentlichen um die Erläuterung und Interpretation wirtschaftlicher Informationen, die der Unternehmer nach § 106 BetrVG erteilen muss. Hierzu zählen etwa die Unterrichtung über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens, die Produktions- und Absatzlage, eventuelle Rationalisierungsvorhaben und Betriebsänderungen. Ebenfalls ist dem Wirtschaftsausschuss der Jahresabschluss zu erläutern. Ein Sachverständiger ist erforderlich, wenn es dem Wirtschaftsausschuss nicht möglich ist, die Informationen zu verstehen und zu interpretieren.

Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass der Wirtschaftsausschuss aus Mitgliedern zusammengesetzt ist, die bereits selbst über die geforderten Kenntnisse verfügen. Denn § 107 Abs. 1 BetrVG ist eine Sollvorschrift, danach sollen die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses über die persönliche Eignung zur Erfüllung ihrer Aufgaben selbst verfügen. Ein Sachverständiger kann also vom Wirtschaftsausschuss nur hinzugezogen werden, wenn dessen Mitglieder ausnahmsweise und unter Abweichung von der Sollvorschrift des § 107 Abs. 1 BetrVG nicht über die erforderliche Sachkunde verfügen. Hier ist der Nachweis der ungenügenden Sachkompetenz von Seiten des Betriebsrats zu führen.

Im zweiten Teil des Artikels erfahren Sie mehr über die Möglichkeiten eines Betriebsrates Unterstützung von außerhalb zu erhalten.

Linktipp:

Sachverständige: Guter Rat für den Betriebsrat! (Teil II)

Dr. Norbert Pflüger

Dr. Norbert Pflüger, Rechtsanwalt und Geschäftsführender Gesellschafter der Pflüger Rechtsanwälte GmbH, Frankfurt, ist im Bereich Umstrukturierungen und Fusionen als Sachverständiger tätig. Pflüger Rechtsanwälte GmbH, www.k44.de.

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