Fehler sind die großen Tabus im Wirtschaftsleben. Sie werden aufgehübscht oder totgeschwiegen. Keiner will es gewesen sein. Täter schlüpfen in die Opferrolle und schieben den Schwarzen Peter anderen unter. Oder man begibt sich gemeinsam auf die Suche nach dem Sündenbock. Doch Fehlerorientierung erzeugt eine Misserfolgskultur, Chancenorientierung hingegen eine Erfolgskultur.
Als ich noch im Management eines internationalen Hotelkonzerns war, planten wir einmal ein groß angelegtes Mailing mit Wochenend-Specials für Stammgäste. Ein Hoteldirektor wollte seine Adressen nicht herausrücken. Sein Begründung: Es könne ja sein, dass ein Gast Post erhielte, der außerehelich im Hotel genächtigt hat und die Ehefrau würde dies nun erfahren. Selbst wenn das, sagen wir mal, auf fünf Prozent der Gäste zutrifft, werden damit 95 Prozent Chancen verbaut. Dieser Hoteldirektor war ein Misserfolgsvermeider. Misserfolgsvermeider haben den „10-Prozent-Risiko-Blick“, Erfolgsmacher den „90-Prozent-Chancen-Blick“.
Misserfolgsvermeider suchen nach Haken und nicht nach Ösen, sie forschen nach Fehlern und Pannen und nicht nach Möglichkeiten. Sie reden auch über die schlechte Performance ihrer MitarbeiterInnen und nicht über deren tägliche Heldentaten.
Erfolgsmacher hingegen begegnen Fehlern mit Neugierde und Interesse, sie schauen in die Zukunft und sehen Lösungen. „In jeder Töpferei liegen auch Scherben“, sagt ein ägyptisches Sprichwort. Wer keine Fehler macht, lernt auch nichts mehr. Die sicherste Art, wenig Fehler zu machen ist die, nichts Neues auszuprobieren.
Fixiertheit auf Fehler verhindert Erfolg
Dort, wo keine Fehler zugelassen oder diese gar geahndet werden, verbringen MitarbeiterInnen ihre Zeit vor allem damit, sich abzusichern. Verantwortung wird negiert, es wird gelogen, ein Alibi gesucht, Hilflosigkeit vorgegaukelt, Ohnmacht gespielt. All dies aus Angst vor unliebsamen Konsequenzen für den Besitzstand, sprich für die Karriere oder den eigenen Geldbeutel.
In einer misserfolgsorientierten Kultur belauern sich die Arbeitsgenossen arglistig, um kleinste Fehler anzuprangern. Oder sie lassen andere mit voller Absicht ins Messer laufen. Oder sie sprechen einen Fehler nicht an, weil sie Sorge haben, dass sich der werte Kollege oder die Kollegin bei passender Gelegenheit und vor versammelter Mannschaft revanchiert. So kommt alles zum Stillstand. Und am Schluss wird gar nichts mehr entschieden, aus lauter Angst, etwas Falsches zu tun. Und die gleichen Fehler passieren immer wieder.
Freunde dich also mit Fehlern an und begrüße diese. „Ich bin stolz darauf, dass wir an dieser Stelle einen Fehler gemacht haben, denn was wir für die Zukunft daraus lernen, ist dies …“, könnte man bei der nächsten Präsentation sagen und beobachten, was dann passiert. Eine so charmante Selbstbezichtigung wirkt manchmal geradezu entwaffnend – es sei denn, du hast nur NeiderInnen um dich, die dir aus allem einen Strick drehen wollen. Wirklich Großes kann aber nur gelingen, wenn der Neid schweigt.
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Die Jagd nach dem Sündenbock
In fehlerorientierten Unternehmenskulturen gibt es immer auch einen Prügelknaben. Er dient zur Transposition von Aggressionen, wie Sozialpsychologen das nennen, damit also die Aggression nicht offen aufeinander prallt. Der Ausdruck „Sündenbock“ geht übrigens auf das Alte Testament zurück. Bei den Feierlichkeiten zum Versöhnungsfest wurde ein Ziegenbock symbolisch mit allen Sünden des Volkes beladen und in die Wüste getrieben. Auf diese Weise befreiten sich die Menschen von Schuld.
Doch ein solch falscher Umgang mit Fehlern verursacht dreifache Folgekosten:
- für die fehlerhafte Leistungserstellung,
- für die Mängelregulierung und
- solche, die aus der Abwanderung enttäuschter KundInnen entstehen.
Deshalb heißt es, eine konstruktive Aus-Fehlern-lernen-Kultur zu entwickeln. Das bedeutet, nicht nur den Fehler schnellstmöglich zu beseitigen, sondern auch, gemeinsam zu besprechen, wie solche Fehler in Zukunft vermieden werden können. Gefragt wird immer nach der Ursache. Wer den Fehler gemacht hat, ist dabei egal.
Fehler ja, aber bitte nur einmal
Die einzigen Fehler die nicht toleriert werden können, sind Absicht, Nachlässigkeit und Schlamperei. Ansonsten ist ein Fehler erst wirklich ein Fehler, wenn er zum zweiten Mal passiert. Fehler also ja, aber bitte nicht zweimal! Denn wir wachsen nicht über das Fehler-vermeiden, sondern über das Fehler-machen. Fehler sind der Preis für Evolution und Innovation.
Solches Denken bringt alle dazu, ganz locker über das „Unsagbare“ nachzudenken. Das totale Scheitern wird als eine mögliche Option gehandelt und ganz selbstverständlich in die Arbeit von Projektgruppen mit einbezogen. Und wenn der „worst case“ dann tatsächlich eintreten sollte, ist man darauf vorbereitet.
„Hurra, ein Fehler“, sollten wir also ab und an rufen, wenn ein Fehler passiert ist. Das Hinfallen gehört zum Laufen-lernen. Wer Neues ausprobiert, der muss auch scheitern dürfen. Eine angemessene Fehlertoleranzkultur sorgt für ein dynamisches Klima der kontinuierlichen Optimierung. Übertriebener Perfektionismus hingegen ist nicht nur hinderlich, sondern auch gefährlich. Denn er macht Unternehmen langsam und träge.
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