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Brainstorming ist nicht effektiverWir befinden uns in den USA in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Der Inhaber einer großen Werbeagentur, Alex Osborne, kommt auf eine ebenso einfache wie geniale Idee – scheinbar. Da bei einer Werbeagentur am laufenden Band neue und kreative Ideen entwickelt werden müssen, bringt der Chef seine Mitarbeiter zusammen und erhofft sich dadurch, dass diese in weniger Zeit mehr und bessere Ideen erzeugen. Weil nach Ansicht des Inhabers während dieser Zusammenkünfte ein frischer Wind durch die Gehirne der Anwesenden fegt, nennt er diese neue Form der Ideenfindung Brainstorming. Damit auch möglichst viele kreative Ideen entstehen, stellt Osborne verschiedene Regeln auf, die allesamt einem Ziel dienen: Es sollen möglichst viele Ideen hervorgebracht, keine darf kritisiert werden.

Psychologen war diese Art des Gehirnsturms nicht ganz geheuer. Schon wenige Jahre nachdem Osborne seine Idee veröffentlichte, stellten die Wissenschaftler verschiedene Untersuchungen an. Ihre Erkenntnisse beweisen in den meisten Fällen das genaue Gegenteil von dem, was wir alle glauben: Einzelpersonen erzeugen in derselben Zeit nicht nur mehr, sondern auch mehr gute Ideen als Personen in der Gruppe. Das ist das Gegenteil von dem, was sich alle vom Bregensturm erhoffen! Anders formuliert: Gruppen erzeugen beim kollektiven Brainstorming unterm Strich nicht nur weniger, sondern auch weniger gute Ideen.

Brainstorming erzeugt weniger gute Ideen

Der Grund dafür liegt unter anderem in einer verzerrten Wahrnehmung. Menschen in der Gruppe haben einfach mehr Spaß, Ideen zu produzieren als allein vor sich hinzubrüten. Hinzu kommt ein Effekt, dem die Forscher den Namen Trittbrettfahrt gegeben haben. Einzelne Gruppenmitglieder springen auf die Ideen der anderen einfach auf und ruhen sich auf deren Leistungen aus. Diesen Effekt nennen die Psychologen sinnfällig „Soziales Bummeln“. Ein dritter Grund, warum wir glauben, dass Brainstorming mehr bringt: Menschen sind als Einzelkämpfer einfach gezwungen, Ideen zu entwickeln, weil sie auch nur allein abrechnen können. Und darum strengen wir alle uns einfach mehr an. Hemmend wirkt darüber hinaus, dass wir Zeit durchs Hören verschwenden und dadurch von individuellen Geistesbewegungen immer wieder auf das Gleis eines anderen gelenkt werden. All dies ist mehrfach und mit eindeutigen Resultaten nachgewiesen.

Brainstorming kann trotzdem genutzt werden

Warum aber erfreut sich Brainstorming weiterhin so großer Beliebtheit? Weil Menschen einfach lieber in der Gruppe arbeiten als allein. Weil der Erfolgsdruck nicht auf ihnen lastet, weil sie aufgrund verzerrter Wahrnehmung felsenfest daran glauben (wollen), dass sie in der Gruppe mehr und bessere Resultate erzielen.

Kann man den Bregensturm trotzdem nutzen? Ja. Wenn es darum geht, neue Ideen zu finden, sollten im ersten Schritt die Mitglieder der Gruppe allein nach Lösungen suchen. Erst wenn jeder eine Anzahl von ihnen gefunden hat, kann man sie in der Gruppe diskutieren. Das hat den Vorteil, dass jeder gezwungen ist, Ideen zu liefern und unbewusst mit den anderen um die besten Ideen in einen Wettstreit tritt. Erst dann werden die besten Resultate ausgetauscht und weiterentwickelt.

(Bild: © shoot4u – Fotolia.de)

Dr. Jens Kegel

Dr. Jens Kegel ist Spezialist für verbale Unternehmenskommunikation und Selbstmarketing. Als Texter, Autor und Ghostwriter schreibt er seit Jahren für Unternehmen. Als Referent und Trainer gibt er seine umfangreichen Erfahrungen in Vorträgen und Seminaren weiter. Zugleich beschäftigt er sich mit verschiedenen Wissenschaftsbereichen, deren Erkenntnisse er für Praktiker aufbereitet.

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