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Work Life Balance – Modeerscheinung oder betriebliche Notwendigkeit?Zum Einstieg in diese Beitragsreihe zum Thema Personalarbeit der nächsten Dekade möchte ich mich einem Aspekt zuwenden, der aktuell in aller Munde ist: der Work-Life-Balance. Das Thema hat unzweifelhaft in der öffentlichen Darstellung massiv an Präsenz gewonnen. Wenn man die Fakten betrachtet, kann man nur sagen: zu Recht!

In den letzten 10 Jahren sind die Fehlzeiten von Arbeitnehmern aufgrund psychischer Erkrankungen um 70 – 80 % gestiegen. Einer Studie der Barmer Ersatzkasse zufolge liegen die durchschnittlichen Ausfallzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen bei 39 Arbeitstagen pro Erkrankung und betragen damit ein Vielfaches der Durchschnittsfehlzeiten beispielsweise bei Erkältungskrankheiten (6,5 Tage). Sage und schreibe 30 % der Bevölkerung leidet inzwischen binnen eines Jahres an diagnostizierbaren psychischen Störungen – von der Dunkelziffer ganz zu schweigen. Die gesamten Krankheitskosten solcher Erkrankungen werden in Deutschland mittlerweile auf über 4 Mrd. € pro Jahr taxiert.

Stressfaktoren im Beruf und zu Hause

Dabei wird nicht nur der Beruf als Hauptstressfaktor empfunden. In einer Forsa Umfrage aus dem Jahre 2010 liegen Zeitdruck im Beruf und Streit oder Ärger in der Familie mit jeweils 49 % gleichauf. Und da Stress einen der wichtigsten Gründe psychischer Erkrankungen darstellt, liefert dies einen deutlichen Hinweis darauf, wie sinnvoll es für Arbeitgeber ist, sich ihren Mitarbeitern ganzheitlich zuzuwenden.

Wie sehr das Thema die Menschen aktuell bewegt, zeigt sich auch, wenn man die Umfragen zu den guten Vorsätzen für das neue Jahr betrachtet. Für 2011 erklärten in einer Forsa Umfrage 59 %, dass sie Stress vermeiden oder abbauen wollen. Es folgen mehr Zeit für Freunde und Familie mit 56 %, mehr Bewegung und Sport mit 52 % sowie mehr Zeit für sich selbst mit 49 %. Ganz ähnlich sah es bereits ein Jahr zuvor aus. Ob wir es wollen oder nicht – Stressvermeidung und Work-Life-Balance sind ohne jeden Zweifel Themen, die die arbeitende Bevölkerung aktuell massiv bewegen.

Es sind jedoch nicht nur die direkten Krankheitskosten, die bei den Unternehmen zu Buche schlagen. Bei den zu erwartenden Langzeitausfällen erscheinen Überstunden von Kollegen, die den Arbeitsausfall ausgleichen müssen, nahezu unvermeidlich. Auch damit sind Mehrkosten verbunden. Schließlich darf bezweifelt werden, dass Mehrbelastungen über einen längeren Zeitraum ohne qualitative Defizite in der geleisteten Arbeit aufgefangen werden können.

Work-Life-Balance als Auswahlkriterium bei der Arbeitswahl

Ein weiterer Aspekt sollte das Thema Work-Life-Balance aktuell in den Fokus der Unternehmer rücken: der Wandel in den Werten junger Menschen. Zunehmend gewinnt dieses Thema auch bei den Talenten an Bedeutung und wird gerade bei guten Leuten zu einem der wichtigsten Auswahlkriterien bei der Wahl des Arbeitgebers. Gleichzeitig ist angesichts des demographischen Wandels die Gewinnung und Bindung von guten Leuten eine der größten unternehmerischen Herausforderungen der nächsten 10 Jahre.

In einer Befragung von Universum Communications unter der Überschrift „Was Talente wollen“ errang das Thema Work-Life-Balance mit 51,8 % den Spitzenplatz! Mit 41,1 % hatte Personalverantwortung an zweiter Stelle schon einen erheblichen Abstand. „Firmen, die keine Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen, schaden sich selbst.“ So lautet denn auch das Fazit von Prof. Helmut Schneider (Steinbeis Hochschule) in einem Artikel im Handelsblatt vom 15.09.2010. Auch die Tatsache, dass Studien zufolge bald mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer älter als 50 Jahre sein wird (Schlagwort „Silver Work“), macht deutlich, wie wichtig eine angemessene und auf die persönlichen Bedürfnisse Rücksicht nehmende Gestaltung des Arbeitsumfeldes in Zukunft ist.

Fazit: Work-Life-Balance ist keinesfalls eine Modeerscheinung unserer Zeit, sondern eine wichtige Herausforderung für alle Unternehmen. Sowohl für jüngere als auch für ältere Mitarbeiter und nicht zuletzt für den Unternehmer selbst ist die dauerhafte Erhaltung der optimalen Leistungsfähigkeit von zentraler Bedeutung.

Möglichkeiten, Stressfaktoren zu mildern

Es gibt für die Unternehmen vielfältige Möglichkeiten, dem Thema einen angemessen Stellenwert einzuräumen. Diese reichen von flexiblen Arbeitszeitmodellen über die altersgerechte Gestaltung der Arbeitsplätze bis hin zu mobilen medizinischen Angeboten am Arbeitsplatz, sei es die Massage in der Mittagspause oder der Personaltrainer. Auch gute Business Coachs können sehr hilfreich sein. Mit ihren Techniken decken sie dieses Thema sinnvoller Weise ganzheitlich ab, indem sie wichtige familiäre Aspekte einbeziehen. So profitiert der Arbeitgeber auch davon, dass Stressfaktoren gemildert werden, die er selbst gar nicht beeinflussen kann, vielleicht noch nicht einmal kennt.

Investieren Sie in die Work-Life-Balance Ihrer Mitarbeiter, aber auch in Ihre eigene – es ist jeden Euro wert.

(Bild: © styf – Fotolia.com)

Mario Porten

Mario Porten war 23 Jahre für verschiedene Banken tätig. Er war dabei 15 Jahre lang in leitender Position verantwortlich, davon acht Jahre als Vorstand. Als erfahrener Praktiker kennt er die Probleme des Mittelstandes. Heute arbeitet er als Berater, Trainer und Coach. Neben Themen rund um Strategie, Personal und Führung widmet er sich mit dem Beraternetzwerk www.bankperspektive.de speziell den Problemen des Mittelstandes rund um die Hausbank. Sein Buch „Banken-Coach für den Mittelstand“ ist 2010 erschienen.

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