Ist das wirklich der richtige Kandidat für die vakante Stelle? Das fragen sich Personalverantwortliche oft nach Vorstellungsgesprächen. Denn in ihnen versucht sich jeder Bewerber so gut wie möglich zu verkaufen. Deshalb ist eine professionelle Gesprächsvorbereitung und -führung wichtig.
Claus Weber, Inhaber eines mittelständischen Produktions- unternehmens, war glücklich. Nach langer Suche hatte er endlich den scheinbar passenden Vertriebsleiter gefunden. Doch dann trat der Neue seine Stelle an. Und schon wenige Tage später hatte Weber erste Zweifel: Habe ich wirklich den besten Kandidaten ausgewählt? Denn zunehmend häuften sich bei ihm die Klagen der Verkäufer: „Der Neue hat von Tuten und Blasen keine Ahnung. Und wie er mit uns umspringt, das lassen wir uns nicht gefallen.“ Zwei Monate später war Weber erneut auf der Suche nach einem Vertriebsleiter. Sein „Traumkandidat“ hatte sich als Fehlgriff erwiesen.
Solche Fehlgriffe können für Unternehmen verhängnisvoll sein – nicht nur, weil dann alle Ausgaben für die Personalsuche und -auswahl Fehlinvestitionen waren. Weit schwerer wiegen laut Frank Adensam, Inhaber der Adensam Managementberatung, Ludwigshafen, in der Regel „die sogenannten Chaoskosten, die entstehen, wenn Schlüsselpositionen längere Zeit verwaist bleiben oder nicht adäquat wahrgenommen werden“.
Personalauswahl: Ein Anforderungsprofil erstellen
Doch warum erweisen sich „Wunschkandidaten“ so oft als Flops? Eine Ursache ist laut Adensam: „Viele Unternehmen investieren zu wenig Zeit und Energie in das Erstellen eines Anforderungsprofils an den neuen Mitarbeiter.“
Nur selten untersuchen sie zum Beispiel: Welche speziellen Fähigkeiten muss der künftige Mitarbeiter aufgrund unserer Unternehmens- und Kundenstruktur haben? Und noch seltener fragen sie sich: Was für ein Typ sollte der neue Controller, Vertriebsleiter oder Disponent sein? Eher ein „kleinkarierter Erbsenzähler“ oder … ? Eher jemand, der die Sachen abarbeitet, oder …?
Personalauswahl: Einen Gesprächsleitfaden erstellen
Eine weitere Ursache von Fehlbesetzungen ist: Oft entwickeln die Verantwortlichen keinen Leitfaden für die Auswahlgespräche.
Ein solches Strukturieren und Standardisieren der Gespräche erachtet Volker Rojahn, Geschäftsführer der Personalberatung HR Personal Consulting, Dresden/Karlsruhe, als wichtig – „unter anderem damit die Bewerber nach den Gesprächen vergleichbar sind. Außerdem tappen die Interviewer dann nicht so leicht in die Falle, sich von eloquenten Bewerbern das Ruder aus der Hand nehmen zu lassen“.
Auswahlgespräche sollten wie folgt aufgebaut sein: Nach dem kurzen Smalltalk, der auf die Begrüßung folgt, sollten der oder die Interviewer den Kandidaten bitten, kurz seinen Werdegang zu schildern. Danach sollten sie Fragen zum Lebenslauf stellen. Zum Beispiel: „Warum wählten Sie den Studienschwerpunkt …?“ „Warum wechselten Sie nach drei Jahren den Arbeitgeber?“
Phrasen hinterfragen
Ist der Lebenslauf abgeklopft, sollten die Interviewer die speziellen beruflichen Erfahrungen und Fähigkeiten des Bewerbers erkunden, empfiehlt Michael Strübing, Geschäftsführer der Personalberatung percon, Frankfurt.
Zum Beispiel mit Fragen wie: „Vor welchen Herausforderungen standen Sie bei Ihrer Arbeit als …?“ „Was haben Sie im Projekt … gelernt?“ Danach sollten sie ermitteln, was für ein Typ der Bewerber ist. „Doch Vorsicht“, mahnt Strübing, „geben Sie sich nicht mit so allgemeinen Antworten wie ‚Ich bin entscheidungsstark’ zufrieden.
Fragen Sie nach, in welchen Situationen sich dies zeigt. Wenn es um Neuanschaffungen geht? Oder wenn es um das Treffen von „schmerzhaften“ Entscheidungen geht?
Personalauswahl: Nicht zu früh zu viel Infos geben
Vermutlich haben Sie gemerkt: Bisher wurde im Bewerbungsgespräch noch kaum ein Wort über das Unternehmen und die zu besetzende Position gesprochen – bewusst. Denn wenn die Interviewer den Kandidaten bereits zu Beginn des Gesprächs ausführlich über das Unternehmen, die vakante Position und die Aufgaben des künftigen Stelleninhabers informieren, dann weiß dieser, wenn das eigentliche Interview beginnt, was vom Stelleninhaber erwartet wird. Also passt er sein Antwortverhalten den Erwartungen an.
Auf die vakante Stelle sollten die Interviewer das Gespräch erst überleiten, wenn sie bereits ein recht konkretes Bild vom Bewerber haben – zum Beispiel mit den Worten: „Sie haben sich als … beworben. Wie stellen Sie sich Ihre künftige Tätigkeit bei uns vor?“
Oder: „Wir sind ein mittelständischer Betrieb. Was schätzen Sie, welche Anforderungen sich hieraus ergeben?“ Auch nun sollten sie den Kandidaten also zunächst kommen lassen, bevor sie ihm endlich das Unternehmen vorstellen und dezidiert die vakante Position beschreiben.
Fragen: Was würden Sie tun, wenn …?
Hat der Bewerber diese Information, sollten die Interviewer ihm erneut Fragen stellen, rät Rojahn – „und zwar zu typischen Herausforderungen, mit denen der künftige Stelleninhaber konfrontiert sein wird“. Zum Beispiel: „Stellen Sie sich vor, ein Schlüsselkunde beschwert sich darüber, dass … und droht die Zusammenarbeit zu beenden. Was würden Sie tun?“ Dann wird meist schnell klar, ob der Kandidat der „Richtige“ ist.
Wer Bewerbern hinter die Fassade blicken möchte, muss einigermaßen routiniert im Führen von Gesprächen und Interviewen von Personen sein. Sonst reißen eloquente Bewerber schnell die Gesprächsführung an sich. Deshalb empfiehlt Adensam gerade untrainierten Führungskräften: „Überlegen Sie, ob Sie zum Auswahlgespräch einen Kollegen hinzuziehen – oder einen externen Berater?“ Das hat auch den Vorteil: Im Gespräch ist eine Arbeitsteilung möglich.
Während der eine Interviewer primär das Gespräch führt, achtet sein Kollege vor allem auf die (non-)verbalen Aussagen des Bewerbers. Außerdem kann er sich die wichtigsten Aussagen und Beobachtungen notieren.
(Bild: © cglightNing – Fotolia.de)
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