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Sitzungsmarathon am Morgen – die Agenda verheißt ein Mammutprogramm mit Sprengstoff. Der Chef ist im Turbomodus:

„Die Umsätze sind in Q3 um elf Prozent runter. Unser Projektdurchsatz ist im Keller, die Chinesen mischen jetzt auch mit und wir brauchen eine digitale Vertriebsplattform. Wir müssen schneller, besser und günstiger werden, sonst sind wir weg vom Fenster!“

Dem HR-Leiter schwant Übles:

„Sobald durchsickert, was uns da ins Haus steht, gibt’s Flurfunk und Panik ohne Ende. Unsere durchschnittlichen Mitarbeiter verfallen in Schockstarre und die Top-Leute fangen an, sich nach Alternativen umzuhören. Das wird buchstäblich ein Change-GAU.“

Paradigmenwechsel statt Klein-Klein

Auch wenn es nicht immer ganz so drastisch ausfällt, sind die Grundzüge der Story typisch. Im Vertrauen auf die vollen Auftragsbücher hat die Geschäftsführung zu lange am bisher erfolgreichen Weg geklebt und ist von den Ereignissen überrannt worden. Plötzlich muss dann alles so schnell gehen, dass die alten Prozesse und Strukturen aus den Fugen geraten.

Viele Unternehmen trifft der Paradigmenwechsel durch Digitalisierung, Globalisierung und Disruption mit voller Wucht.

Unternehmer, die ihre Organisation in solcher Lage nur punktuell verbessern, hetzen von einem Brandnest zum nächsten bis der Großbrand am Ende doch nicht mehr aufzuhalten ist. Wer sein Unternehmen nicht insgesamt auf eine neue Stufe der Performance hebt, wird so lange vom nächsten und wieder nächsten Change durchgeschüttelt, bis die Kräfte aufgezehrt sind.

Behindernde Muster abstellen

Ist der Veränderungsdruck erst mal da und schnelles Handeln angesagt, muss man die Ursachenforschung oft zurückstellen. Trotzdem lässt sich aus den Versäumnissen lernen:

  • Warum halten Unternehmen beharrlich an eingerosteten Produkten und Geschäftsmodellen fest, obwohl die Märkte und Kundenbedürfnisse sich rapide verändern?

Oft werden strategische Hemmnisse vorgeschoben, warum und wieso dieses oder jenes nicht machbar gewesen sei. Die Wahrheit liegt meist jedoch in einem Mix aus der inneren Haltung auf der Chefetage und kulturellem Beharren in der Organisation:

  • Wegsehen
  • Aussitzen
  • sich in falscher Sicherheit wiegen

Das sind gängige Bremsen, die Veränderungen wirksam verhindern. Wer besser werden will, sollte zunächst verstehen, warum er es bisher noch nicht war. Der nötige kritische Blick schmerzt, ist aber essenziell, um neue Zukunftsfähigkeit zu begründen.

Folgende 6 Muster sind exemplarisch für den Dornröschenschlaf eines Unternehmens:

1. Gelerntes Scheitern

Jedes zähe oder misslingende Transformationsprogramm verankert negative Mechanismen in der Organisation. Die Folgen sind vorauseilender Zweifel, Pessimismus und Vertrauensverlust bei der nächsten Veränderungsinitiative.

2. Bremsende Legacy

Ehemals innovative und erfolgreiche Produkte werden über ihren Zenit hinaus mit aller Kraft geschützt und folglich das Neue als Feind des Bewährten bekämpft.

3. Arrogante Fehleinschätzungen

Im Brustton der Überzeugung vom Top-Management vorgenommene Fehleinschätzungen des Marktes sind doppelt schädlich: sie treffen nicht zu und verhindern Widerspruch.

4. Vermiedene Entscheidungen

Dringender Wandel und Innovation brauchen schnelle und klare Entscheidungen. Üblich sind jedoch meist langwierige Prozesse, getrieben von Risiko-Aversion und Angst, die zu Stillstand und Verwässern führen.

5. Zugelassenes Aussitzen

Zuschauen, Abwarten und Aussitzen sind gängige Prinzipien in Unternehmen. Werden sie toleriert, gehen nötige Veränderungen an Halbherzigkeit zugrunde.

6. Gewollte Gleichgültigkeit

Werden viele Veränderungen gleichzeitig gestartet, kannibalisieren sie sich gegenseitig, bis es fast gleichgültig ist, welche gelingen und welche nicht.

Diese Muster sind vielen Unternehmen tief verankert und bestimmen ihre Gepflogenheiten. Für dieses Bollwerk an Widerständen gibt es nur eine Option: es radikal niederzureißen.

Auf Emotionen setzen

Dieses Niederreißen ist allerdings leichter gefordert als getan – zumal auch der Ansatz oft falsch gewählt wird. Viele Unternehmen setzen bei der Logik an. Sie argumentieren und versuchen, ausschließlich den Kopf zu überzeugen statt auch das Herz zu gewinnen. Die Neurowissenschaft indes bestätigt längst, dass niemals rationale Faktoren bestimmen, ob Menschen veränderungsbereit sind oder nicht.

Entscheidungs- und Handlungsimpulse kommen immer aus der Emotion.

Jeder, der versucht hat, endlich abzunehmen oder mehr Sport zu machen, kennt das Phänomen. Der Kopf sieht klar, aber ohne das Herz passiert nichts. Die Art und Weise, wie Mitarbeiter emotional beim Wandel mitgenommen werden, bestimmt den Erfolg, ganz gleich wie logisch die Gründe sind.

Unternehmer, die nötigen Wandel ausschließlich logisch-rational begründen, erreichen ihre Mitarbeiter unzureichend bis gar nicht.

In der Praxis braucht es dafür u.a. emotional aufgeladene Zielbilder, die Vertrauen und Leidenschaft hervorrufen, sowie Workshops in den Bereichen und Abteilungen, in denen die Zielbilder auf konkrete und für den einzelnen Mitarbeiter nachvollziehbare Aktivitäten heruntergebrochen werden.

In der Grafik bewegen sich solche Unternehmen in den linken Quadranten, meist bei „Disziplin“, oft sogar bei „Starre“. Disziplin bedeutet, Dinge halbherzig, ohne besonderen Ansporn zu tun. Echter Schub setzt jedoch sowohl emotionale als auch rationale Zustimmung voraus.

Die Medizin kennt die Lösung: Salutogenese

Doch wie lässt sich emotionale Zustimmung und damit Schub systematisch erzeugen? Die Lösung bietet die Salutogenese, die Lehre von der Entstehung der Gesundheit. Sie verrät, was Menschen in einen Zustand emotionaler Sicherheit und des Vertrauens bringt, damit sie bereit werden, bekannte Pfade für neue Wege zu verlassen.

Sinnhaftigkeit, Verstehbarkeit und Handhabbarkeit – dieser Dreiklang, das sog. Kohärenzgefühl, öffnet Menschen für den Wandel. Alle Aktionen eines Veränderungsprogramms auf die Kohärenz hin abzustimmen, ist der Schlüssel:

  • Sinnhaftigkeit: Ich sehe den Sinn hinter den Veränderungen, die auf mich zukommen, und es lohnt sich, dass ich mich dafür einsetze.
  • Verstehbarkeit: Veränderungen, die auf mich zukommen, sind nachvollziehbar und erklärbar.
  • Handhabbarkeit: Ich habe die Fähigkeiten und Ressourcen, um Veränderungen, die auf mich zukommen, zu bewältigen.

Die Kompetenz, sich zu verändern

Mitarbeiter emotional für das Neue motivieren und begeistern zu können, ist auch deshalb so wichtig, weil die Tage des klassischen Change-Managements, das immer wieder punktuell zum Einsatz kommt, vorbei sind. In den heutigen Zeiten mit täglich neuen Fakten muss der stetige Wandel zu einer virtuos beherrschten Zukunftsfähigkeit werden. In der Praxis bedeutet das:

1. Erfolgsbewusstsein etablieren

Durch wiederholte Erfolge in Transformationsprogrammen Mitarbeiter und Führungskräfte davon überzeugen, dass Veränderungen zielstrebig umsetzbar sind, wenn sie richtig angepackt werden.

2. Für Selbstbestimmung sorgen

Mit anstehenden Veränderungen rechtzeitig loslegen, um ohne Druck von außen jederzeit frei, selbstbestimmt und geordnet agieren zu können.

3. Konsequent fokussieren

Transformationsvorgänge auf diejenigen mit dem größten unternehmerischen Nutzen zu begrenzen, um mit hoher Fokussierung bei begrenzten Ressourcen zum Erfolg zu kommen und sich nicht zu verzetteln.

Mit diesen Kompetenzen sind Unternehmen bestens aufgestellt für zukünftige Herausforderungen, aus welcher Richtung auch immer diese kommen mögen. Wer diesen Turnaround mit Herz und Kopf schafft, wird nicht nur erfolgreich, sondern auch attraktiv – für die spannendsten Kunden, die stärksten Partner und die besten Mitarbeiter, die sich im Markt tummeln.

Dr. Dieter Lederer

Dr. Dieter Lederer ist Veränderungsexperte. Er verhilft Unternehmen in Zeiten rapiden Wandels zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil: gelingende Transformation. Dahinter steht seine profunde Erfahrung aus mehr als 250 Change-Projekten mit über 50.000 davon betroffenen Menschen. Namhafte Konzerne, ambitionierte Mittelständler und preisgekrönte Start-ups sind seine Kunden.

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