Voller Selbstmotivation ein neues Projekt in Angriff nehmen – und trotzdem gehen uns auf dem Weg zum Ziel manchmal Willenskraft und Durchhaltevermögen – sprich die Puste – aus. Wenn man die biologisch-physiologischen Mechanismen der Willensstärke kennt, lässt sich dies vermeiden.
Willensstärke: Unsere wichtigste Antriebsfeder
Ständig stehen wir in unserem Leben vor der Herausforderung, nicht das zu tun, wozu uns unser erster Impuls treibt, sondern das, was unsere langfristig angelegten Projekte nach vorne bringt – auch wenn es im ersten Moment anstrengender ist. Um hier die richtige, sprich zielführende Entscheidung zu treffen, braucht es Willensstärke – deren Einsatz sich lohnt.
Glück ist eine Überwindungsprämie
So lautet der Leitspruch des ehemaligen Extremsportlers Martin Heuberger, der schon zig Ultramarathons bewältigte. Was er damit meint?
„Meist muss ich mich entscheiden, ob ich jetzt etwas Angenehmes tue, das dann aber meinen langfristigen Zielen schadet. Wenn ich mich also jetzt ungesund ernähre, schaffe ich vielleicht meinen nächsten Lauf nicht so gut, wie ich mir das vorstelle. Und wenn ich jetzt nicht trainiere, sondern faul rumliege, ebenso. Überwinde ich mich, trainiere, esse gesund und bin dann fit, durchströmt mich während meines nächsten Laufs ein unendliches Glücksgefühl. Das ist die Prämie, die ich erhalte, weil ich mich vorher überwunden habe.“
Evolution zwischen „Neandertal“ & Hightech-Dschungel
Wenn’s so einfach klingt – warum fällt es uns dann so schwer? Das liegt daran, dass der präfrontale Cortex, der Bereich des Gehirns, in dem die Willensstärke sitzt, sich erst sehr spät in der Evolution des Menschen geformt hat. Hier geht es um vorausschauendes Handeln und Gefühlsregulierung – Fähigkeiten, die dem prähistorischen Menschen das Überleben gesichert haben.
Dass wir sie nicht immer nutzen, liegt an einem anderen Teil unseres Gehirns, in dem die evolutionsbiologisch wesentlich älteren Triebe und Instinkte vorherrschen. Sein Schwerpunkt ist der kurzfristige Überlebenskampf, der uns in einer ressourcenarmen, feindlichen Umgebung hilft.
Seine Regeln:
- so viel essen wie nur möglich
- Feinde zügig angreifen oder
- vor Gefahren fliehen
- Energie sparen durch Ausruhen
Dieses archaische Überlebensprogramm wirkt auch heute noch erstaunlich effizient in uns: Wir essen mehr als nötig, wir stehen zitternd vor dem Vorstand, wir ruhen lieber aus, als Sport zu treiben. Und: Wir können es nicht abschalten!
Willenskraft ist wie ein Muskel – und den kann man trainieren
Das ist auch gar nicht nötig: Wenn wir wissen, wann und wie diese Gefühle und Impulse ausgelöst werden, können wir besser mit ihnen umgehen. Die wohl wichtigste Prämisse: Wir können unsere Willenskraft wie einen Muskel aufbauen – und wie einen Muskel schonen, um ihn nicht zu überfordern.
Die Psychologie hat herausgefunden, dass die Willenskraft umso schwächer wird, je öfter sie gefordert wurde, um Versuchungen zu widerstehen. Jede Handlung, die Willensstärke erforderlich macht, bezieht ihre Kraft aus derselben Quelle und erschöpft sie so ein Stückchen mehr. Doch wie einen Muskel kann man die Willensenergie mit einfachen Übungen stärken.
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Strategie 1: Wiederholt leichte Widerstände überwinden
Die wirkungsvollste Strategie lautet: einen – anfangs leichten – Widerstand überwinden, dann wiederholen, wiederholen, wiederholen – gefolgt von einer Erhöhung des Widerstands, sowie die Übung einen nicht mehr fordert.
In einer Studie wurden die Teilnehmer aufgefordert, ein einfaches, aber doch lästiges Verhalten an den Tag zu legen, beispielsweise Termine einzuhalten, regelmäßige Ablage zu machen oder dergleichen. Die Teilnehmer konnten dadurch nicht nur das ausgewählte Verhalten besser steuern, sondern begannen gleichzeitig auch, sich besser zu ernähren und besser auf ihre Arbeit zu konzentrieren.
Strategie 2: Willenskraft-Fresser vermeiden
Die zweite Strategie sieht vor, dass du möglichst viel von dem meidest, das deine Willenskraft unnötig beansprucht.
Je weniger wir uns Verlockungen und oberflächlichen Glücksversprechungen aussetzen, desto mehr Willensenergie sparen wir und desto länger bleibt unser Wille stark.
Das widerspricht allerdings vollkommen unserem modernen Leben. Experten schätzen, dass wir täglich 2.500 bis weit über 10.000 Werbebotschaften ausgesetzt sind.
- Vermeide also eine ständige Beschallung durch das Radio.
- Schalte die Benachrichtigungstöne deines Handys ab, auf die du reflexartig immer sofort reagierst.
- Lösche jede E-Mail, die deine Aufmerksamkeit abzieht, aber nicht wirklich wichtig ist.
- Schaffe Routinen für regelmäßig auftauchende Entscheidungen, so dass diese keine Willenskraft mehr kosten, sondern „nebenher“ nach Schema F abgewickelt werden können.
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Strategie 3: Den inneren Schweinehund zum Freund machen
Die dritte Strategie besteht darin, den inneren Widerstand zum Freund zu machen. Dieser „Schweinehund“ ist Teil unseres triebgesteuerten Überlebenssystems und sorgt sich dafür, dass wir gut essen und trinken, es immer schön gemütlich haben und unsere Kräfte schonen. Dass es dir anders lieber wäre – das kann er gar nicht wissen, wenn du es ihm nicht erklärst.
Gib ihm das richtige Futter in Form von zielgerichteten Gedanken:
- Wenn du ihm vermitteln kannst, dass du Freude daran hast, am Schreibtisch zu sitzen und deine To-Do-Liste abzuarbeiten.
- Wenn du dich – und ihm – vergegenwärtigst, wie befriedigend es ist, einen Meilenstein nach dem anderen auf dem Weg zu deinem Ziel zu passieren
- und wie toll es sich anfühlen wird, wenn du das Projekt dann tatsächlich realisiert hast.
Dann wird der Widerstand als solcher erlahmen und der Schweinehund genau diese Richtung unterstützen und dich zur Arbeit anspornen.
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