Höchste Zeit, das sich was tut. Die Leitbilder, mit denen sich die Unternehmen auch heute noch schmücken, sind mehrheitlich aus dem letzten Jahrhundert – im wahrsten Sinne des Wortes. Doch wer heute Business macht, ist fortschreitend einem dramatischen Wertewandel und der gnadenlosen Transparenz des Social Webs unterworfen. Kooperation statt Konfrontation und Menschlichkeit statt Machtgelüsten rücken nach vorn.
Dieses neue Szenario zwingt ohne Zweifel das Management, veraltete Leitbilder und alles, was dazugehört, rasch auf den Prüfstand zu stellen.
Neue Zeiten brauchen neue Leitbilder. Nicht nur das Zahlenwerk, auch die moralische Bilanz muss zukünftig stimmen. Die großen Unternehmenspleiten der letzten Jahre haben aller Welt sichtbar vor Augen geführt: Veraltete Managementmoden und Megalomanie fordern einen hohen Preis – und führen letztlich ins Aus. Beim Spiel mit den Bauklötzen der Macht bleiben nicht nur die Mitarbeiter und Kunden, sondern letztlich die Gesellschaft und unser aller Lebensraum auf der Strecke. Die gute Nachricht: Eine werteorientierte Unternehmensführung ist im Kommen, weil sich von allen Seiten eine stark zunehmende Nachfrage dafür entwickelt.
Die Nachfrage nach Werten steigt
Sehr viele Konsumenten würdigen mittlerweile bei ihren Kaufentscheidungen moralisch korrektes Tun. Sie wollen wissen, wie die Waren, die sie erwerben, produziert werden, woher sie kommen und was sie enthalten. Die gesamte Öffentlichkeit will endlich (!) sauberen Profit sehen. Man kann nämlich auch erfolgreich sein, ohne zu zerstören. Man kann Gewinne erzielen und gleichzeitig die Welt verbessern. Den Unternehmen, die solche Werte leben, wird ein Großteil der Kunden die Treue halten.
Bereits 70 Prozent der Aktienanleger achten verstärkt auf Nachhaltigkeitskriterien bei ihrer Anlageentscheidung, wie die Börsenzeitung kürzlich berichtete. Als Trend in diese Richtung sei auch zu deuten, dass die CEOs der im Deutschen Aktienindex gelisteten Unternehmen verstärkt die nichtfinanziellen Bewertungskriterien wie Werteorientierung, Nachhaltigkeit und Ethik auf den Analystenkonferenzen hervorgehoben haben, um ihre Aktien für Kapitalanleger attraktiv zu machen. Bleibt zu hoffen, dass es den maßgeblich Beteiligten nun endlich ernst ist mit der ‚Corporate Social Responsability‘ – und nicht nur moderner Ablasshandel betrieben wird.
Genau an dieser Stelle kommt nun das Social Web ins Spiel. Denn ob es den Unternehmen gefällt oder nicht: Was immer sie heute tun, im Cyberspace spricht es sich blitzschnell herum. So wird auch das Böse eingedämmt. Und Minderwertiges wird gnadenlos ausgesondert.
Wer unbeschadet davonkommen will, tut gut daran, eine Top-Performance zu bieten, moralisch sauber zu sein und in einen offenen, ehrlichen Dialog zu treten. Verschlossene Türen gibt es in einer Netzwerkgesellschaft nicht mehr. Und Mauscheln in Hinterzimmern lässt man besser sein. Denn Irgendeiner schaut immer durchs Schlüsselloch. Und was er dort sieht, erzählt er Online der ganzen Welt. Suchmaschinen sind das neue Weltgewissen. Und Kunden sind die neuen Vermarkter.
Leitbilder prägen die Unternehmenskultur
Eine neue Leitbild-Kultur hat natürlich – ganz wichtig angesichts des gravierenden Fachkräftemangels – auch Auswirkungen auf die Arbeitgeber-Attraktivität. Im Rahmen einer Studie kommt Gregor Schönborn, Geschäftsführer der Deep White GmbH aus Bonn, zu folgendem Schluss: „Reine Zahlen- und Profitorientierung werden nicht nur aus Sicht der Aktienanleger unchic, sondern können sich auch auf dem Arbeitsmarkt als echter Nachteil bei der Suche nach Fachkräften zeigen, wenn der mögliche neue Arbeitgeber dem Jobsuchenden nicht attraktiv genug erscheint.“ Insbesondere den sogenannten ‚Digital Natives‘, die jetzt auf den Arbeitsmarkt drängen, ist der Blick auf die Unternehmenskultur als Auswahlkriterium bei der Jobsuche mindestens genauso wichtig wie potenzielle Karrierechancen.
Doch in herkömmlichen Leitbildern spiegeln sich all diese Veränderungen noch nicht wider. Ihre oft phrasenhaft klingenden Formulierungen beginnen vielfach wie folgt: „Wir sind der führende Anbieter von … .“ Oder: „Wir sind Marktführer in … .“ Mal ehrlich: Das klingt reichlich selbstverliebt. Und oft recht martialisch. Im Gegensatz dazu heißt es bei einem Hersteller von Finanzsoftware: „Der Kunde soll sich mit unseren Produkten so wohl fühlen, dass er fünf Freunden sagt, sie sollten es ebenfalls kaufen.“
Das tönt sicher nicht so glattgebürstet wie die von Werbeagenturen aufgehübschten Mission Statements anderer Player im Markt. Und das ist auch gut so. Denn mit gekünstelter Leitbild-Prosa, die den Mitarbeitern an die Wand genagelt wird, kann niemand was anfangen. Bei dem schlicht formulierten Satz hingegen versteht jeder, was zu tun ist, und wohin die Reise geht. Es reicht nämlich nicht, ein visionäres Ziel zu haben, man muss es auch erstrebenswert finden. Erst dann kommen die Mitarbeiter vom ‚Müssen‘ ins ‚Wollen‘. Und nur im ‚Wollen‘ steckt die Art von Kreativität, die die Konsumenten schließlich belohnen. Denn Geldscheine sind Stimmzettel.
Leitbild auf dem Prüfstand
Wie schaut das nun textlich aus? Überkommene ‚Wir-sind-die-Größten-Leitbilder‘ müssen neu gedacht und neu erarbeitet werden. Und zwar mithilfe der Mitarbeiter, und – das ist neu – auch mithilfe der Kunden. Mithilfe der Kunden? Ja, natürlich! Wenn Kunden-Involvement für die unternehmerische Zukunft unumgänglich ist, dann sollten auch die Kunden zu Inhalt und Ausrichtung des Leitbildes Stellung beziehen. Die Social-Media-Welt bietet heutzutage alle Möglichkeiten, ein solches Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Und wenn es sich aus welchen Gründen auch immer verbietet, den Kunden in diesen Prozess einzubeziehen? Dann sollte er wenigstens ein virtueller Projekt-Teilnehmer sein. Dabei stehen nach jedem Zwischenschritt folgende Fragen im Raum: „Stellen Sie sich vor, Sie wären der Kunde! Was würde Ihnen auf den Lippen brennen? Welche kritischen Anmerkungen hätten Sie? Und welche Anregungen? Was müsste weg? Und was sollte zwingend ergänzt werden? Wie könnte man es so machen, dass es die Kunden lieben? Und wie könnte es gehen, das alle im Markt drüber reden?“ Ganz am Anfang könnte auch folgende Frage stehen: „Wer wollen wir für unsere Kunden sein?“
Und dann beginnt das neue Leitbild wie folgt:“ Für unsere Kunden wollen wir … .“ Damit stünde dann endlich der Kunde an erster Stelle. Anstatt nämlich die eigene Herrlichkeit zu feiern oder sich aufs Marktführer-Podest zu wünschen, sollten Unternehmen es als ihre Mission ansehen, ihren Kunden (und deren Kunden) zu helfen, noch erfolgreicher zu sein. Und gleichzeitig sollten sie dazu beitragen, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.
Das Hörbuch zum Artikel von Anne M. Schüller: Touchpoints – auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute
(Bild: © endostock – fotolia.de)
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