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Zeiterfassung damals und heute – wie die Stechuhr die Arbeitswelt prägte

Zeiterfassung: Eine winzige Person mit dem richtigen Timing und genauem Zeitplanungsmanagement.

Zeiterfassung damals und heute – wie die Stechuhr die Arbeitswelt prägte - Foto: © VectorMine - stock.adobe.com

Die Stempeluhr ist in vielen Berufszweigen noch immer fest verankert, doch sie ist eine relativ moderne Erfindung, wie Artur Gieß, Senior Manager Sales Mid Market bei ADP Deutschland, erläutert.

Zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert war es für die meisten Arbeitskräfte üblich, sich am Fabrikeingang anzustellen und „einzustechen”. Die Industriellen verbrachten viele Jahre damit, standardisierte Arbeitstage zu schaffen. Eines der wirksamsten Instrumente wurde Ende des 19. Jahrhunderts im Bundesstaat New York erfunden.

Vergangene Zeiten

Schon seit Jahrtausenden versuchen die Menschen, den Lauf der Zeit zu messen. Dennoch lebten die meisten Menschen auf der Welt bis ins 19. Jahrhundert hinein ohne sich an Stunden und Minuten zu orientieren. Die Tagesabläufe richteten sich nach der Natur, dem Wetter und den Bedürfnissen des Viehs.

Auch in Handwerksbetrieben variierten die täglichen Aufgaben und das Arbeitstempo enorm. Schlechtes Wetter konnte die Ankunft von Materialien unterbrechen, ein schleppender Geschäftsgang führte zu Müßiggang und einige Handwerker betrieben nebenbei Landwirtschaft, was ihren Zeitplan ebenfalls abwechslungsreich machte.

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Der Aufstieg der Industrie

Doch dann begann sich die Fertigungstechnologie zu verändern. Als Dampfmaschinen die Wasserräder ersetzten, beschleunigte sich das Produktionstempo und die Arbeitskräfte mussten Schritt halten. Als die ersten Fabrikbesitzer begannen, ArbeiterInnen aus den Dörfern für Jobs mit standardisierten Arbeitszeiten anzuwerben, hatten sie alle Hände voll zu tun. Ein Großteil der Bemühungen galt der Zeitdisziplin.

Anfang des 18. Jahrhunderts wurden die Uhren immer zahlreicher und genauer. In den Fabriken waren sie oft gut sichtbar angebracht, um die Zeiteinteilung durchzusetzen. Fabrikbesitzer entwickelten Verfahren mit Zeitbeamten, schriftlichen Regeln, Stundenzetteln und einem System von Strafen und Prämien.

Im frühen 19. Jahrhundert wurde der getaktete Arbeitstag in fast jeder Fabrik erwartet – sei es mithilfe großer Uhren oder Glockensystemen. Dennoch erforderte die Zeitmessung eine Person, die die Arbeitskräfte beobachtete, Verwarnungen bei Verspätungen aussprach, die verlorene Zeit aufzeichnete, berechnete und die Beträge für die Bezahlung abzog. Das begann sich im späten 19. Jahrhundert zu ändern.

Erstmals ein- und ausstempeln

Das früheste Patent für eine Zeituhr soll 1855 in England erteilt worden sein und die ersten Modelle wurden in den 1880er Jahren im Vereinigten Königreich hergestellt und verkauft. 1878 erhielt Williard L. Bundy ein US-Patent und gründete ein Jahrzehnt später zusammen mit seinem Bruder die Bundy Manufacturing Co. mit Sitz in Binghamton, New York. Ihr frühestes Modell war der „Key Recorder”, bei dem die Angestellten individuelle, von ihrem Arbeitgeber ausgegebene Schlüssel mit sich führen mussten. In den 1890er Jahren entwickelten die Bundys Stechuhren, die die Zeitkarten abstempelten. Durch die Fusion mit der International Time Recording Company (ITR) wurden sie zum Weltmarktführer in der Herstellung und Vermarktung von Zeituhren. 1911 fusionierte die ITR mit zwei anderen Unternehmen zur Computing-Tabulating-Recording Company, einem Vorläufer der International Business Machines (IBM).

Mit der Verbreitung von Stechuhren entfiel die Notwendigkeit, dass eine angestellte Person die Zeiten aufzeichnete und Warnungen ausgab. Nun steckten die Mitarbeitenden ihre Zeitkarte in die Uhr und ein Stempel drückte die Ankunftszeit darauf. Im 20. Jahrhundert verbreiteten sich die Stechuhren auf der ganzen Welt.

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Das moderne Zeitalter

Die Digitalisierung der Stechuhr im Jahr 1979 ermöglichte es den Unternehmen, die Stunden und den Lohn automatisch zu berechnen. Viele Unternehmen, vor allem kleine, verwenden noch immer manuelle Methoden der Zeiterfassung, sei es auf Papier oder in einer Tabellenkalkulation. Die Umstellung auf digitale Zeiterfassung spart jährlich viele Stunden und reduziert die Fehlerquote um bis zu 30 %. Führungskräfte müssen die Zeiterfassungsbögen in einem integrierten HCM-System nur noch genehmigen; das Programm kümmert sich um die Berechnung von Löhnen und Überstunden.

Während der Pandemie versuchten einige Firmen verzweifelt herauszufinden, wie sie die Zeit aus der Ferne erfassen sollten. Manche Arbeitgeber übertrieben und verlangten von ihrem Team die Verwendung von Überwachungssoftware, was zu Datenschutzproblemen und schlechter Arbeitsmoral führte.

Heute bieten die modernen Optionen für die Zeiterfassung ein hohes Maß an Sicherheit, von PIN-Codes und QR-Codes bis hin zu Gesichtserkennung, Fingerscans und Sprachbefehlen. Biometrische Optionen verhindern das „Buddy Punching”, bei dem sich ein Teammitglied für ein anderes ein- oder ausstempelt.

Auch wenn die meisten Arbeitgeber die Arbeitszeiten heute digital erfassen, wirken die Auswirkungen der Stechuhr noch nach. Viele von uns sprechen immer noch vom „Ausstempeln”, wenn sie die Arbeit verlassen.

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