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Führungsinstrument Sales-Coaching – mehr als nur Anleiten und Anweisen

Führungsinstrument Sales-Coaching – mehr als nur Anleiten und Anweisen

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Coaching boomt – insbesondere in den Vertriebsbereichen von Unternehmen. Unter anderem weil den Führungskräften im Vertrieb im Betriebsalltag oft die nötige Zeit fehlt, ihre MitarbeiterInnen anzuleiten. Also müssen die MitarbeiterInnen die Kompetenz entwickeln, selbst zu erkennen, welches Verhalten sie in bestimmten (Vertriebs-) Situationen zeigen sollten.

Führungskräfte müssen ihre MitarbeiterInnen coachen.

Diese Aussage liest man seit Jahren immer wieder in den Medien. Und auch bei Managementkongressen hört man diese Forderung oft – insbesondere bezogen auf die Vertriebsbereiche von Unternehmen. Denn wie erfolgreich der Vertrieb eines Unternehmens agiert, hängt stark davon ab, wie dessen MitarbeiterInnen den Kontakt und die Beziehung zu den (Noch-nicht-) KundInnen gestalten. Unklar bleibt dabei aber meist, was die Führungsaufgabe Coachen von solch klassischen Führungsaufgaben wie dem Anleiten und Anweisen unterscheidet. Unklar bleibt auch, wann im Führungsalltag eher ein Coachen und wann eher ein Anleiten oder Anweisen angesagt ist.

Coaching-Boom hat viele Ursachen

Dafür dass das Coachen gerade in den Vertriebsbereichen sowie den vertriebsnahen Bereichen der Unternehmen auf eine sehr positive Resonanz stößt, gibt es viele Ursachen. Zwei seien genannt.

Auf beide Ursachen reagiert das Coaching, indem es darauf abzielt, den MitarbeiterInnen die Kompetenz zu vermitteln, eigenständig zu ermitteln, welches (VerkäuferInnen-) Verhalten die jeweilige Situation erfordert und das entsprechende Verhalten zu zeigen.

Das bedeutet nicht, dass die klassischen Führungsaufgaben „Anleiten“ und „Anweisen“ ihre Bedeutung verloren haben.

Sie sind und bleiben wichtige Führungsaufgaben. Daneben ist aber die Aufgabe getreten, die Kompetenz der MitarbeiterInnen so zu entwickeln, dass sie ihre Aufgaben nicht nur stets besser erledigen können, sondern auch dann noch weitgehend eigenverantwortlich lösen können, wenn sich die Anforderungen (leicht) ändern – unter anderem, weil sie:

Verfügen die MitarbeiterInnen über diese Kompetenz, dann können sie flexibler eingesetzt werden und auf die jeweiligen KundInnenbedürfnisse sowie Marktanforderungen reagieren. Und ihre Führungskräfte? Sie werden entlastet. Denn sie müssen im Betriebsalltag seltener steuernd und korrigierend eingreifen und ihren MitarbeiterInnen sagen, was diese zu tun haben (Anweisen) und wie sie ihre Aufgaben zu erfüllen haben (Anleiten).

Ein Beispiel aus dem Führungsalltag

Doch wie funktioniert das Coachen in der Praxis? Das sei an einem Beispiel beschrieben. Angenommen ein noch junger und recht unerfahrener Key-Acounter eines IT-Dienstleisters hat den ersten Gesprächstermin beim kaufmännischen Leiter eines mittelständischen Unternehmens und ist im Vorfeld des Gesprächs unsicher, weil er von seinem Vorgänger weiß: Herr Mayer ist „etwas eigen und schwierig zu handeln“ – nicht nur weil er an die LieferantInnen und DienstleisterInnen seines Unternehmens sehr hohe Anforderungen stellt, sondern auch, weil er weiß: Unser Unternehmen ist für viele IT-DienstleisterInnen ein attraktiver Kunde.

Wie lief nun das klassische Vorgespräch zwischen dem KundInnenbetreuer und seinem Vorgesetzten ab? Die Führungskraft sagte zu dem KundInnenbetreuer: „Also, bei Herrn Mayer müssen Sie auf folgende Punkte achten: 1. …. 2. …. 3. …. Und am besten gehen Sie so vor, dass Sie zunächst …. Danach …. Und dann ….“ Die Führungskraft agierte also weitgehend mit Anweisungen und gab dem jungen Mitarbeiter zahlreiche Tipps (Anleiten), wie er sich im KundInnenkontakt verhalten soll.

Ganz anders agiert eine Führungskraft, die sich auch als Coach ihrer MitarbeiterInnen versteht. Sie würde den Mitarbeiter im Vorgespräch zum Beispiel zunächst fragen:
Führungskraft (F): „Mit welchen Gefühlen fahren Sie zu dem Kunden?“
Mitarbeiter (M): „Ich bin ziemlich unsicher und nervös.“
F: „Was bewegt Sie, wenn Sie an den Termin denken?“
M: „Ich befürchte, Herr Mayer nimmt mich als jungen Berater nicht ernst und …“
F: „Hatten Sie diese Befürchtung schon mal in Ihrer Laufbahn als Verkäufer?“
M: „Ja, als ich nach meiner Ausbildung erstmals alleine ein Beratungsgespräch mit dem Inhaber eines Ingenieurbüros führte – doch am Schluss habe ich ihm eine neue Computeranlage verkauft.“
F: „Toll. Was haben Sie gemacht, damit das Gespräch trotz Ihrer Nervosität erfolgreich war?“
M: „Ich habe mich auf das Gespräch gut vorbereitet. Und im Gespräch fand ich schnell einen Draht zum Kunden, so dass ich innerlich ruhiger wurde.“
F: „Und wie fanden Sie einen Draht zum Kunden?“
M: „Indem ich dem Kunden zunächst einige persönliche sowie auf sein Unternehmen bezogene Fragen stellte, die ich mir im Vorfeld überlegt hatte, und ihn zunächst einmal erzählen ließ.“
F: „Und welche Rolle spielte in diesem Gespräch Ihre jugendliches Alter?“
M: „Im Prinzip keine, da ich sehr gut vorbereitet war und …. Eigentlich war mein Alter zu Beginn eher für mich als für den Kunden ein Problem.“

Eine Führungskraft, die als Coach agiert, präsentiert ihren MitarbeiterInnen also keine fertigen Lösungen.

Sie führt ihnen vielmehr mittels Fragen an den Punkt, dass sie zum Beispiel selbst erkennen, was die möglichen Ursachen ihrer Unsicherheit sind und wie sie in einer anderen Situation diese meisterte.

Und erst dann beginnt sie mit ihnen eine Strategie für das anstehende KundInnengespräch zu entwerfen – und zwar indem sie den BeraterInnen erneut Fragen stellt. So könnte das Gespräch zum Beispiel weitergehen:

F: „Wenn Sie sich die Situation damals bei Ihrem Gespräch mit dem Inhaber des Ingenieurbüros nochmals vor Augen führen, was bräuchten Sie dann im Gespräch mit Herrn Mayer, um in ihm souverän zu agieren?“
M: „Eine gewisse Erstinformation darüber, wie Herr Mayer ‚tickt’?“
F: „Die kann ich Ihnen geben oder Ihr Vorgänger. Was noch?“
M: „Noch einige kundenspezifische Eingangsfragen, um Herrn Mayer erst mal zum Reden zu bringen, damit ich ein Gespür für ihn entwickeln kann.“
F: „Okay, und was noch?“
M: „Vielleicht zwei, drei ausgewählte Produkte beziehungsweise Lösungsvorschläge, die für sein Unternehmen passen könnten, nebst einer kundenspezifischen Nutzenargumentation, die ich ihm abhängig vom Gesprächsverlauf präsentieren könnte.“
F: „Und mit welchem Ziel gehen Sie in das Gespräch – außer souverän zu wirken?“
M: „… mit ihm einen Wartungsvertrag für seine Computeranlage abzuschließen.“
F: „Es freut mich, dass Sie so umsatz- und ertragsorientiert denken. Aber sind Sie sicher, dass Sie dieses Ziel bei einem Kunden wie Herrn Mayer, der Sie noch nicht kennt, erreichen?“
M: „Schön wär’s. Aber sicher bin ich nicht. Vielleicht sollte ich noch ein weniger anspruchsvolles alternatives Ziel formulieren.“
F: „Welches könnte dies sein?“
M: „Zum Beispiel, dass Herr Mayer mit mir nach dem wechselseitigen Kennenlernen einen Folgetermin vereinbart, bei dem wir dann ….“
F: „Was wäre der Vorteil davon?“
M: „Ich würde gelassener in das Gespräch gehen und könnte mich stärker auf mein Gegenüber konzentrieren, als wenn ich permanent im Hinterkopf habe ‚Ich muss einen Abschluss erzielen’. Und ich vermeide die Gefahr, dass ich die Beziehung zum Kunden gefährde, weil ich zu stark auf einen Abschluss zusteuere.“
F: „Und wenn es dann trotzdem mit dem Abschluss klappt, ist es spitze. Aber es muss nicht sein, weil das Wichtigste zunächst ist, dass Herr Mayer eine Beziehung zu ihnen entwickelt.“

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Ziel: Lernprozesse in Gang setzen

Eine Führungskraft, die coacht, gibt ihren MitarbeiterInnen also auch nicht die (Verkaufs-) Gesprächsstrategie vor, denn das zentrale Ziel ist es, bei der Mitarbeiterin oder beim Mitarbeiter einen Lern- und Erkenntnisprozess in Gang zu setzen. Deshalb gibt die Führungskraft keine Antworten. Sie fragt und fragt und fragt – wobei man als neutrale Beobachterin beziehungsweise neutraler Beobachter aufgrund der gestellten Fragen sowie Gesprächsführung jedoch durchaus spürt: Die Führungskraft ist ein „alter Hase“ im Vertrieb. Sie weiß, was in gewissen Vertriebssituationen und -konstellationen realistisch ist.

Nachdem das Ziel und das Vorgehen geklärt sind, kann die Führungskraft der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter zum Beispiel folgenden Auftrag erteilen: „Beobachten Sie im Gespräch mit Herrn Mayer bitte, wie souverän Sie in den verschiedenen Gesprächsphasen sich fühlen und agieren, und bewerten Sie innerlich Ihre Souveränität auf einer Skala von 1 bis 5. Und nach dem Gespräch notieren Sie sich dies bitte und überlegen sich, warum Sie in gewissen Phasen souveräner als in anderen waren.“ Das Ziel hierbei: Die Führungskraft möchte bei der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter einen Selbstreflektionsprozess anstoßen, dessen Ergebnisse dann Inhalt eines zweiten Gesprächs sind, das die Führungskraft und ihre Mitarbeiterin oder ihr Mitarbeiter so zeitnah wie möglich nach dem KundInnengespräch führen.

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Ziel: MitarbeiterInnen werden „SelbstentwicklerInnen“

Dieses Gespräch könnte die Führungskraft mit folgender Frage einleiten: „Stellen Sie sich einmal vor, bei dem Gespräch mit Herrn Mayer wäre eine Kamera gelaufen. Was würden Sie sehen, wenn Sie den Film anschauen würden?“ Das Ziel hierbei: Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter soll sich noch einmal das Gespräch vergegenwärtigen und dessen Verlauf schildern. Danach könnte die Führungskraft zum Beispiel fragen: „Und wie ist das Gespräch aus Ihrer Warte gelaufen?“ Und anschließend: „Und was würde Herr Mayer sagen, wenn ich ihm dieselbe Frage stellen würde?“

Das Ziel hierbei: Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter soll nochmals aus der Warte der verschiedenen Beteiligten das Gespräch Revue passieren lassen, um anschließend geleitet durch die Fragen der Führungskraft selbst zu ermitteln:

Das Ziel hierbei: Bei der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter einen Lernprozess anstoßen, der mittelfristig ein Coaching durch die Führungskraft überflüssig macht.

Warum? Die Mitarbeiterin beziehungsweise der Mitarbeiter hat gelernt, vor KundInnengesprächen alleine zu analysieren: Was erfordert die Situation und welches Verhalten ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zielführend? Zudem kann sie oder er nach den Gesprächen selbst analysieren, was sie beziehungsweise er künftig in vergleichbaren Situationen anders machen sollte.

Coaching zielt also darauf ab, dass aus MitarbeiterInnen mit Entwicklungspotenzial sozusagen „SelbstentwicklerInnen“ werden, die unter anderem:

Ist dieses Ziel erreicht, entlastet dies auch die Führungskraft, denn sie muss ihre MitarbeiterInnen zumindest im Alltagsgeschäft nicht stets neu instruieren. Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Verfügen die VertriebsmitarbeiterInnen eines Unternehmens erst einmal über die Kompetenz, aus ihrem Job resultierende Entwicklungsbedarfe selbst zu erkennen und zu beheben, dann kann die Gesamtorganisation schneller auf Marktveränderungen, die beispielsweise eine neue (Vertriebs-) Strategie erfordern, reagieren. Denn das Unternehmen hat einen wichtigen Schritt in Richtung lernende Organisation getan.

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