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Neue Normalität: Homeoffice statt Büro? Besser nicht!

Neue Normalität: Homeoffice statt Büro? Besser nicht!

© famveldman - stock.adobe.com

„Homeoffice is the new normal!“ Solche oder ähnliche Aussagen waren in den letzten Monaten ständig zu lesen. Inzwischen lässt sich das auch mit Zahlen untermauern. So ergab eine Umfrage des ZEW folgendes:

Und laut einer Umfrage von Randstad könnten sogar 80 Prozent der Belegschaften von zuhause aus arbeiten. Flexible Arbeitsmodelle haben sich in der Krise bewährt und als Zukunftsmodelle empfohlen, auch, weil sie Unternehmen die Möglichkeit geben, Mitarbeiterzentrierung zu demonstrieren und auf die gestiegenen Bedürfnisse nach einer besseren Work-Life-Balance zu reagieren. Hat das Büro also ausgedient? Nein – denn der Schluss greift zu kurz. Er ignoriert wichtige Vorteile eines gemeinsamen Arbeitsplatzes. 

Für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das Büro mehr als nur ein Arbeitsplatz. Es ist auch ein sozialer Ort der Zusammenkunft. Zwar hat das erzwungene Home Office der letzten Monate gezeigt, dass Teamwork auch auf Distanz möglich ist, trotzdem kommt auf Dauer der Austausch mit KollegInnen oft zu kurz. Das führt zu einer immer stärkeren Individualisierung im Arbeitsleben, vieles passiert im Homeoffice doch im Alleingang – mit Folgen sowohl für einzelne MitarbeiterInnen als auch das Geschäft.

Homeoffice erschwert Kollaboration

Ein großer Teil des Arbeitsalltags besteht aus dem Lösen von Herausforderungen. Dabei geht es aber oft nicht um große strategische Fragen, die in eigens angesetzten Meetings diskutiert werden. Im Alltag geht es häufiger um konkrete Fragen. Hier fehlt im Homeoffice zumeist die Gelegenheit, sich kurz mit KollegInnen abzustimmen und dadurch von den Ideen und Erfahrungen der anderen zu profitieren. Im Büro findet solch ein Austausch meist über den Schreibtisch hinweg oder bei der Kaffeepause statt. Solche Gelegenheiten fallen im Homeoffice weg und damit fehlen auch die kleinen Anregungen durch andere MitarbeiterInnen.

Verstärkt wird der Effekt noch dadurch, dass sich mit zunehmender Dauer der Arbeit im Homeoffice eine gewisse „digitale Müdigkeit“ einstellt.

Im Lockdown wurde das deutlich. Wurde zu Beginn auch bei Kleinigkeiten noch viel telefoniert, nahm das mit der Zeit immer mehr ab. Umso mehr sich die Menschen an die Arbeit zuhause gewöhnten, desto stärker neigten sie dazu, allein zu handeln und Entscheidungen zu treffen. Damit wurden aber auch kreative Prozesse oder Problemlösung immer mehr zu einem Kampf der Einzelnen. Dabei kann hier der Austausch besonders hilfreich sein, weil er neue Perspektiven eröffnet.

Komplett verloren geht darüber hinaus oft die abteilungsübergreifende Kommunikation mit KollegInnen, mit denen man in der alltäglichen Arbeit keine Berührungspunkte hat, denn diese findet nicht in Meetings, sondern meist an der Kaffeemaschine statt.

Sozialer Austausch

Der Austausch mit KollegInnen hilft aber nicht nur bei Problemen. Auch Feedbacks oder kleine Nachgespräche auf dem Flur, zum Beispiel nach einem Kundentermin, fallen im Homeoffice weg. Dabei liefert dieser spontane Austausch häufig wertvolle Anregungen. Und auch ein kurzes Lob wie „super Präsentation“, ruft man sich schneller einmal über den Flur zu. Diese kleinen Momente tragen aber zur Motivation und zum Spaß an der Arbeit viel bei – Werte, die in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen haben.

Viele Unternehmen haben zuletzt große Anstrengungen unternommen, um eine offene, motivierende und angenehme Arbeitsatmosphäre zu erzeugen, die Raum für „einen Schnack“ oder eine Partie am Kickertisch lässt. Dieser Aufwand würde durch dauerhaftes Homeoffice ad absurdum geführt. Dabei ist für viele Menschen der Arbeitsplatz auch ein zentraler sozialer Bezugsort, an dem nicht selten Freundschaften entstehen. Ein Arbeitsumfeld, in dem man sich wohlfühlt, hängt daher für viele Menschen ganz entscheidend mit den Kolleginnen und Kollegen zusammen, mit denen man gern einen großen Teil des Tages verbringt.

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Impulse durch Bewegung und geistige Stimulanz

Räumliche Bewegung und Abwechslung sind körperlich und geistig stimulierende Faktoren. Studien zeigen, dass schon kurzes Gehen die Kreativität signifikant steigert. Der Weg zum Büro hilft außerdem, sich mental auf den kommenden Arbeitstag einzustellen. Andersherum fällt es leichter, die Arbeit und Aufgaben an der Haustür wieder zu verabschieden. Das Homeoffice hebt diese räumliche Trennung auf und kann so gerade für besonders produktive und engagierte MitarbeiterInnen zum Risiko werden, wenn der Arbeitsplatz immer verfügbar ist. Im schlimmsten Fall führt das zu dauernder Überlastung bis hin zum Burnout.

Neugeschäft und der menschliche Faktor

Events, Meetings, Lunchtermine – wenn sich, wie nun ebenfalls vermutet, auch Geschäftstermine verstärkt in den digitalen Raum verlagern, geht der persönliche Faktor verloren. Dabei ist es sehr wichtig, das neben den harten Fakten auch die Chemie in Geschäftsbeziehungen stimmt. Denn bei der konkreten Zusammenarbeit sind die Erfolgsaussichten deutlich größer, wenn die Beziehung gut ist und vertrauensvoll und offen miteinander umgegangen wird. Im persönlichen Kontakt fällt es den meisten Menschen leicht, zu erkennen, ob sie mit dem Gegenüber eine gemeinsame Ebene finden können. Im digitalen Austausch fällt das wesentlich schwerer, denn die Kommunikation ist hier nicht zuletzt aufgrund der technischen Gegebenheiten oft unnatürlich.

Auch der ungezwungene Austausch vor und nach einem Termin oder bei einem gemeinsamen Lunch fällt weg, dabei wird gerade dort oft am schnellsten klar, ob man eine persönliche Beziehung zueinander aufbauen kann.

Auch in der Akquise bereiten rein digitale Formate Probleme. Denn gerade spontanes Networking und Kaltakquise findet häufig auf Messen oder Events statt, und dort oft gerade nicht am Stand, sondern auf dem Flur, bei der Kaffeepause oder beim Bier am Abend. Für Sales-Abteilungen sind diese Probleme akut.

Flexibel, nicht “new normal”

Viele Gründe sprechen also dafür, dass das Homeoffice eben nicht zur neuen Normalität werden darf und Unternehmen zweimal nachdenken sollten, bevor sie Büroflächen aufgeben. Zwar hat der Lockdown deutlich gemacht, dass es sicher mehr Raum für flexible Arbeitsmodelle gibt, als bisher häufig angenommen, trotzdem muss das Büro ein zentraler Anlaufpunkt für die MitarbeiterInnen bleiben. Denn sowohl auf einer zwischenmenschlichen als auch auf einer professionellen Ebene ermöglicht es Begegnungen und Austausch, die auch mit den besten Tools nicht zu ersetzen sind.    

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