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Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: So schützen Sie Ihre Mitarbeiter!

Mobbing und sexuelle Belästigung am ArbeitsplatzJede zweite Frau hat schon sexuelle Anspielungen, aufdringliche Blicke oder Nachpfeifen an ihrer Arbeitsstelle erlebt, sagt die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders. Vorfälle werden oft bagatellisiert oder verschwiegen. Die Ursachen für diese Art des Mobbings sind vielfältig. Bekämpfen kann der Vorgesetzte diese vor allem durch Vorbildfunktion und konsequente Ahndung der Täter. Am besten, bevor die Frau sich beschwert.

Der Prototyp eines männlichen Belästigers ist Führungskraft, 40 bis 60 Jahre alt und verheiratet. Das klassische Opfer sexueller Übergriffe hingegen ist eine junge Frau zwischen 20 und 30 Jahren und finanziell abhängig von ihrem Arbeitgeber. Ledige Einwanderinnen sind laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums besonders gefährdet. Nur in wenigen Fällen ist die Belästigte eine Führungskraft.

Warum sexuelle Belästigung bei Frauen funktioniert

Ein solcher Übergriff diskriminiert, demütigt und demonstriert männliche Macht. 95% der Frauen, die sexuelle Belästigung erlebt hatten, gaben bei der Umfrage des Ministeriums an, der Täter sei ein Mann gewesen. Nur bei einem sehr geringen Anteil von zwei Prozent wurden auch Frauen als Täterinnen genannt. Diese Art des Mobbings funktioniert vor allem bei Frauen, weil sie, im Gegensatz zu Männern, Sexualität mit Intimsphäre gleichsetzen. Sexuelle Belästigung ist eine Form des Machtmissbrauchs, der Machtdemonstration. Der Täter greift intuitiv die Schwachstelle der Frau an, er verletzt ihre Intimsphäre. Mobbing bei Männern greift anders.

Frauen sympathisieren mit dem Täter

Bei einem metallverarbeitenden Mittelständler im Landkreis Göppingen trieb über Monate hinweg ein Belästiger sein Unwesen. Als einziger Mann in der ausschließlich mit Frauen besetzen Nachtschicht machte sich der 50-Jährige an seine Kolleginnen heran. Obwohl die leidenden Mitarbeiterinnen in der Mehrzahl waren, wussten lange Zeit weder Vorarbeiter noch Werkleiter des Produktionsbetriebes von den Vorfällen. Das ist typisch weibliches Verhalten. Frauen schlagen sich leider eher auf die Seite des Täters, statt einzugreifen. Das ist ein Mechanismus, den man mit gezieltem Coaching umlernen kann. Als die Chefs des 1500 Mitarbeiter starken Betriebes von den Vorfällen erfuhren, kündigten sie dem Mann fristlos. Einen Tag später war der Schichtführer weg.

Ein konsequenter Geschäftsführer holt sich nach Bekanntwerden eines solchen Falles einen externen Coach, der sowohl Führungskräfte sensibilisiert als auch Frauen dazu ermutigt, solches Mobbing zu melden. In angeleiteten Rollenspielen nimmt etwa ein Mann die Position der Belästigten ein. So kann er sich besser in verschiedene Arten des sexuellen Übergriffs einfühlen. Sexuelle Belästigung, so lernen die Angestellten hier, fängt schon bei aufdringlichen Blicken an.

Viele Fälle sexueller Belästigung bleiben ungeahndet

Problematisch sei vor allem, so Lüders, dass die meisten Fälle nicht gemeldet werden; wenige Anklagen landen vor Gericht. Viele Frauen trauen sich nicht, ihren Vorgesetzten anzusprechen, wenn sie belästigt werden. Das liegt daran, dass solche Vorfälle schwer zu beweisen sind, denn sie geschehen meist unter vier Augen. Belästigung sollte man aber immer öffentlich machen. Hier müssen Arbeitgeber Strukturen schaffen, die einen offenen Umgang mit der tabuisierten Thematik erleichtern. Betroffene sollten sexuelle Belästigung immer melden und in einem Tagebuch mit Tag, Art und Uhrzeit der Vorfälle genau dokumentieren.

Falsches Schamgefühl und der Wunsch, sich zurückzuziehen, hindert Frauen ebenfalls daran, sich zu beschweren. Oft kennen junge Frauen das Gefühl von Scham und Rückzug bereits aus ihrer Kindheit; etwa wenn sie grenzverletzende, dominante Eltern hatten. Dann passiert es, dass Opfer den Vorfall nicht als sexuelle Belästigung interpretieren. In einem Coaching vergehen oft Wochen, bis das Opfer einen Eingriff in seine Intimsphäre als solchen erkennt. Dauern die Eingriffe in die Intimsphäre an, kommt es zu weitreichenden körperlichen und psychischen Problemen. Genannt seien hier: Leistungsabfall, Angststörungen, Schlafstörungen, Essstörungen, Beziehungskonflikte und letztlich Arbeitsunfähigkeit.

Hilfloser Arbeitgeber

Stutzig wurde der Geschäftsführer eines Bäckerei-Handwerksbetriebs mit 50 Filialen: Schon wieder eine junge Frau, die nur wenige Wochen nach Arbeitsbeginn in seiner süddeutschen Produktionsstätte kündigte. Weil er bei seinen Mitarbeiter nachfragte, berichtete eine Reinigungskraft, dass der Produktionsleiter die Frauen der Frühschicht belästige. Regelmäßig hatte er Geschlechtsverkehr mit seinen Untergebenen. Auch dieser Mann verlor seinen Job umgehend. Wie er zukünftig die sexuelle Belästigung seiner Mitarbeiterinnen unterbinden will, weiß der Mittelständler noch nicht, ergänzt jedoch, dass auch seine Verkäuferinnen regelmäßig mit aufdringlichen Kunden zu tun haben. „Ich kann da nur an das Selbstbewusstsein der Frauen appellieren“, sagt der Inhaber. Er habe jederzeit ein offenes Ohr, wenn seine Angestellten mit solchen Problemen zu ihm kommen.

Tipps für den Umgang mit und die Prävention von sexueller Belästigung

Als Arbeitgeber sind Sie gesetzlich verpflichtet, Ihre Mitarbeiter vor Übergriffen zu schützen. Das fängt bei aufdringlichen Blicken an.

Quellenangabe

Zahlen und Prozentangaben stammen aus: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Januar 2005. „Studie: Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“. Repräsentative Befragung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Die Studie wertet Interviews mit mehr als 10.000 Frauen im Alter zwischen 16 und 85 Jahren aus, die über ihre Gewalterfahrungen in verschiedenen Lebensphasen berichten.

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