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Per Wettbewerb den Nachfolger für die eigene Firma finden

Per Wettbewerb den Nachfolger für die eigene Firma findenWie finde ich einen geeigneten Nachfolger für mich? Das fragen sich viele Unternehmer. Walter Kaltenbach, Inhaber eines Beratungsunternehmens, beschritt einen ungewöhnlichen Weg. Er startete einen mehrstufigen Wettbewerb – mit Erfolg.

Wie finde ich einen Nachfolger für mich? Vor dieser Frage stehen viele Unternehmer, wenn sie in die Jahre kommen und kein Familienmitglied in ihre Fußstapfen treten möchte. Dann besteht die Gefahr, dass sich ihr Unternehmen nach ihrem Rückzug in Luft auflöst, weil ein „Thronfolger“ fehlt.

In dieser Situation befand sich im Sommer 2011 auch Walter Kaltenbach. Seit Jahren suchte der heute 75-jährige Vertriebsprofi eine Person, die bereit und fähig ist, sein Unternehmen zu übernehmen. Ohne Erfolg! Zwar gab es immer wieder Interessenten. Doch in den Sondierungsgesprächen zeigte sich meist rasch: Die Interessenten sind keine echten Kandidaten. Selten aus finanziellen Gründen! Meist scheiterte eine Übernahme daran, dass die Bewerber vom technischen Vertrieb wenig Ahnung hatten. Oder sie hatten keinen Draht zur primär mittelständischen Klientel seiner Firma.

Externen Unterstützer engagiert

Also arbeitete Walter Kaltenbach weiter – schließlich hatte er weiterhin Spaß an seiner Arbeit. Doch dann signalisierte ihm seine Frau: „Allmählich reicht’s! Ich möchte mit dir noch eine paar schöne Jahre verbringen.“ Doch Kaltenbach wusste weiterhin keine Lösung für sein „Problem“. Deshalb traf er sich mit dem Strategie-Coach Ulrich Mölter. Dort schilderte Kaltenbach Mölter sein Anliegen, und die beiden Berater tauschten sich noch eher unverbindlich darüber aus, was Kaltenbach bei der Übergabe wichtig sei.

Dabei wurde laut Mölter schnell klar: Kaltenbach möchte für sein Unternehmen zwar einen „angemessenen Preis“ erzielen. Er möchte es aber nicht „meistbietend veräußern“. Mindestens ebenso wichtig wie der Kaufpreis ist ihm, dass „sein Kind“ weiterlebt und seine mittelständische Klientel, zu der Kaltenbach auch eine emotionale Bindung hat, weiterhin gut versorgt wird. Daraus folgte laut Mölter: „Der Nachfolger muss eine Art Fan von Walter Kaltenbach sein.“ Das heißt: Er muss seine Grundüberzeugungen teilen – auch damit die Kunden von Kaltenbach Training ihm vertrauen.

Klar wurde beiden im Gesprächsverlauf auch: Um einen solchen Nachfolger zu finden, brauchen wir zunächst eine Vielzahl von Kandidaten. Zudem benötigen wir ein mehrstufiges Verfahren, um aus der Vielzahl von Bewerbern den besten heraus zu filtern. So entstand die Idee, eine Art Wettbewerb um die Unternehmensnachfolge zu starten. Die Idee dahinter laut Mölter: Das Unternehmen Kaltenbach Training sollte nicht einfach so verkauft werden. Vielmehr sollten die Kandidaten sich im Verlauf des Wettbewerbs das Privileg „verdienen“, sein Unternehmen zu erwerben.

Mehrstufigen Wettbewerb konzipiert

Walter Kaltenbach war von dieser Grundidee begeistert. Also trafen sich die beiden Berater fortan monatlich einen Tag, um den Wettbewerb zu planen. Zunächst formulierten sie ein Anforderungsprofil für den künftigen Inhaber. Dann analysierten sie: Wo finden wir Menschen, die die Grundüberzeugungen von Walter Kaltenbach teilen? Zum Beispiel in den Verbänden, in denen er Mitglied ist? Unter den Abonnenten seines Newsletters? So entstand allmählich eine Liste potenzieller Kandidaten.

Parallel dazu konzipierten Kaltenbach und Mölter den Wettbewerb. Rasch kamen sie überein, dass dieser aus mehreren Phasen bestehen solle, in denen die Anforderungen an die Kandidaten sukzessiv steigen, Walter Kaltenbach immer mehr Infos über sein Unternehmen preisgibt und sich die Zahl der Kandidaten immer weiter reduziert, bis der „Sieger“ ermittelt ist.

Zeitgleich entwarfen die beiden Berater ein Kommunikationskonzept, um die Kunden von Kaltenbach Unternehmen wettbewerbsbegleitend über den Wettbewerb zu informieren. Denn Kaltenbach wollte nicht, dass sie über Umwege von seiner Nachfolger-Suche erfahren: „Das hätte ihr Vertrauen in mich belastet.“ Die beiden Planer entschieden auch: Eine auf den Beratungsmarkt spezialisierte PR-Agentur soll den Wettbewerb pr-mäßig promoten. Einerseits um die Zahl der potenziellen Kandidaten zu erhöhen, andererseits um in den Markt das Signal zu senden: Wir gehen mit dem, was in unserer Firma aktuell geschieht, offen um.

Nachdem das Konzept des Wettbewerbs stand, befassten sich dessen Planer mit der Frage: Wie können wir ihn so verpacken, dass er potenzielle Teilnehmer auch emotional anspricht? Ulrich Mölter hatte eine Idee. Er hatte registriert, dass Walter Kaltenbach eine hohe Affinität zum Rennsport hat. Deshalb schlug er vor, den Wettbewerb „Formel 1 der Unternehmensnachfolge“ zu nennen. Und die vier Wettbewerbsphasen? Sie sollten „Qualifying“, „Startaufstellung“, „Rennen“ und „Siegerehrung“ heißen.

(Bild: © Kaarsten – fotolia.de)

Überraschend große Resonanz

Am 1. Oktober 2011 startete der Wettbewerb. „Aufgrund unserer Vorarbeiten“, berichtet Mölter stolz, „hatten wir schon in den ersten 1,5 Stunden, nachdem die eigens für den Wettbewerb konzipierte Webseite freigeschaltet war, 160 Besucher auf der Webseite.“ Und sechs Wochen später als die erste Phase, das „Qualifying“, abgeschlossen war, hatten sich 83 Interessenten für den Wettbewerb registriert.

Diese Zahl überraschte Mölter und Kaltenbach, weil die Besucher beim Sich-Registrieren nicht nur die üblichen biografischen Angaben machen mussten. Sie wurden auch gefragt: Welche Verkaufserfolge erzielten Sie in den letzten fünf Jahren? Was waren Ihre letzten drei Weiterbildungen? Was sind die drei wichtigsten Dinge in Ihrem Leben? Des Weiteren: Welche Verpflichtungen sind Sie eingegangen – beruflich, finanziell und privat? Mit dieser Frage wollten die Wettbewerbsveranstalter unter anderem erkunden: Ist ein Bewerber ortsgebunden? Hat er berufliche Verpflichtungen, aus denen er sich schwer lösen kann? Fragen, die für die Auswahl des optimalen Bewerbers durchaus eine Relevanz haben.

Von den 83 Bewerbern ließen Kaltenbach und Mölter 43 für die zweite „Startaufstellung“ genannte Wettbewerbsphase zu. In ihr erhielten die verbliebenen Kandidaten vertiefende Fragen. Nun wurden sie zum Beispiel nach ihrer Führungs- und unternehmerischen Erfahrung gefragt. Eine weitere Frage lautete: Was waren Ihre größten beruflichen Erfolge in den letzten Jahren? Auch nach ihren größten Misserfolgen wurden sie gefragt und was sie daraus lernten. Zudem sollten die Teilnehmer beschreiben, was sie zur Beratertätigkeit motiviert. Und jeder musste ein privates Foto von sich im Netz hochladen. Was laut Mölter „sehr interessant“ war. Er und Kaltenbach registrierten durchaus, ob zum Beispiel ein Familienvater ein Foto mit seiner Familie oder mit seinem Hund oder Cabrio hochlädt.

„Heiße“ Kandidaten selektiert

Aus den Teilnehmern an der zweiten Runde wählten die beiden Berater erneut elf aus, die für die nächste Runde, das „Rennen“, qualifiziert waren. Von ihnen nahmen nur sieben am Rennen teil. Denn zu diesem Zeitpunkt informierte Kaltenbach die Kandidaten auch darüber, wie sich aus seiner Warte die Übernahme – auch finanziell – gestalten könne und welche Punkte hiervon (nicht) verhandelbar seien. Eine nicht verhandelbare Bedingung lautete: Mein Nachfolger muss nach der Übernahme für mindestens zwei Jahre seinen Wohnsitz in die Nähe des Firmensitzes verlegen. Hierzu waren mehrere Kandidaten, wie erwartet, nicht bereit. Die verbliebenen Sieben mussten sie unter anderem einen Persönlichkeitstest absolvieren.

Von diesen Kandidaten wählten Kaltenbach und Mölter erneut drei aus, die sie für zwei Tage zur „Siegerehrung“ nach Böbingen einluden. Dort stellte Walter Kaltenbach den drei Top-Kandidaten, zu denen auch der spätere Sieger Ralph Guttenberger zählte, nochmals genau sein Unternehmen vor. Er informierte sie über dessen Umsätze und Erträge sowie Fixkosten. Außerdem erläuterte er ihnen die Strukturen und Abläufe im Back-Office. Danach sollten die Kandidaten erneut mehrere Aufgaben lösen, bei denen die zentrale Frage lautete: Wie geht der Kandidat neue Herausforderungen an? Danach erhielt jeder Teilnehmer ein individuelles Feedback.

Am zweiten Tag erläuterte Kaltenbach den Teilnehmer im Detail, wie sich der Übergabeprozess gestalten könne. Dieser lässt sich vereinfacht wie folgt beschreiben: Nachdem der Sieger des Wettbewerbs einen definierten Einstiegspreis bezahlt hat, wird er Teilhaber am Unternehmen und gleichberechtigter Geschäftsführer. Danach beginnt die Einarbeitungs- und Übergabephase von circa zwei Jahren, an deren Ende ihm das Unternehmen ganz gehört. In dieser Zeit arbeitet Kaltenbach weiterhin im Unternehmen mit, wobei die Entscheidungsbefugnisse Schritt für Schritt an seinen Nachfolger übergehen. Hierüber wird ein Vertrag geschlossen. Mit diesem Procedere erklärten sich alle Top-Kandidaten einverstanden.

Danach fuhren alle Beteiligten zu einem absoluten Top-Kunden von Kaltenbach Training. Dort wurden die Kandidaten von dessen Geschäftsführer und Verkaufsleiter zunächst befragt. Anschließend schilderten sie ihnen mehrere Herausforderungen, vor denen der Verkauf des Unternehmens aktuell steht. Hierfür sollten die drei Kandidaten Lösungsvorschläge erarbeiten. Danach gaben der Geschäftsführer und der Verkaufsleiter Kaltenbach und Mölter ein Feedback bezogen auf die Kandidaten – und zwar hinsichtlich ihrer Person, ihres Auftretens und der Qualität ihrer Lösungsvorschläge.

Der „Sieger“ wird gekürt

Mit diesem Feedback sowie ihren Eindrücken der zurückliegenden zwei Tage zogen sich Mölter und Kaltenbach zurück, um zu entscheiden: Wer ist unser Erster Sieger? Sie entschieden sich für Ralph Guttenberger. Aus folgenden Gründen: Der ehemalige Jet-Pilot der Luftwaffe und Kommandant einer Fliegerstaffel hat als Diplomingenieur für Luftfahrttechnik das nötige technische Know-how, um bei technischen Verkäufern auf die erforderliche Akzeptanz zu stoßen. Zudem verfügt er aufgrund seiner Weiterbildungen an der St. Gallener Business School und seiner 21-jährigen Tätigkeit in geschäftsführenden Positionen über sehr viel Erfahrung in den Bereichen Personal- und Unternehmensführung. Außerdem blickt er auf 20 Jahre Erfahrung im Aufbau und Führen von Vertriebsteams in mehreren (Franchise-)Unternehmen vorwiegend aus dem baunahen Bereich zurück. Hinzu kam laut Kaltenbach, dass Guttenberger aus Erfahrung weiß: „Spitzenverkäufer entwickeln sich wie gute Kampfflieger allmählich – durch ein systematisches Training und arbeiten an sich selbst.“ Deshalb war sich Kaltenbach sicher: Mit ihm habe ich den idealen Nachfolger gefunden. Dies signalisierten ihm auch seine Kunden.

Ihre Entscheidung teilten Mölter und Kaltenbach auch den beiden anderen Top-Kandidaten mit, „die ebenfalls sehr gute Nachfolger gewesen wären“. Guttenberger hatte jedoch das Plus, dass er mit seinen 48 Jahren schon sehr viel Praxiserfahrung hat. Deshalb vermutete Kaltenbach, dass bei ihm die Einarbeitung kürzer dauern würde.

Anfang April 2012 stand der Sieger des Wettbewerbs „Formel 1 der Unternehmensnachfolge“ fest. Trotzdem gab Walter Kaltenbach dessen Namen noch nicht bekannt. Denn Ralph Guttenberger war zu diesem Zeitpunkt noch Geschäftsführer und Verkaufsleiter bei einer anderen Unternehmensgruppe, und er wollte zunächst deren Gesellschafter über die geplante berufliche Veränderung informieren und die begonnenen Projekte sauber zu Ende führen. Einvernehmlich wurde deshalb als Termin für den Eintritt in das Unternehmen der 1. Januar 2013 vereinbart. Seit Anfang 2013 ist denn auch Ralph Guttenberger Mitinhaber sowie zweiter Geschäftsführer des Unternehmens.

Rückblickend sagt Walter Kaltenbach über den Formel 1-Wettbewerb: „Das war ein unheimlich spannender Prozess.“ Auch weil er sich in ihm sehr intensiv mit den Biografien und Persönlichkeiten vieler jüngerer Trainer-Kollegen und Verkäufer befasste. Dabei erstaunte selbst den „alten Hasen“ Kaltenbach immer wieder, wie unterschiedlich ihre Persönlichkeiten, Stärken und Triebfedern sind. Gerade deshalb war aus seiner Warte der Wettbewerb so wichtig, um „aus der Vielzahl qualifizierter Bewerbern“ denjenigen herauszufiltern, von dem er – wie von Ralph Guttenberger – mit 100-prozentiger Überzeugung sagen kann: „Das ist der richtige Mann für mein Unternehmen und seine Kunden.“

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