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Das Customer Touchpoint Projekt: So managen Sie Kundenkontaktpunkte!

Projekte zum Erfolg führenDas Customer Touchpoint Management folgt nicht länger dem selbstzentrierten alten Marketing, das fragt: Was bieten wir dem Kunden? Vielmehr wird untersucht, was die Kunden erwarten, welche Leistungen sie auf welche Weise erhalten und wie ihre Reaktion darauf ist. Dabei können neue Touchpoints gefunden, bestehende optimiert und veraltete über Bord geworfen werden. Dies geschieht am besten im Rahmen eines Customer Touchpoint Projekts.

Unter Kundenkontaktpunkt-Management (Customer Touchpoint Management) verstehen wir die Koordination aller unternehmerischen Maßnahmen dergestalt, dass dem Kunden an jedem Interaktionspunkt eine herausragende wie auch verlässliche und vertrauenswürdige Erfahrung geboten wird, ohne dabei die Prozesseffizienz aus den Augen zu verlieren.

Ein wesentliches Ziel ist das stete Optimieren der Kundenerlebnisse (Customer Experiences) an den einzelnen Kontaktpunkten, um bestehende Kundenbeziehungen zu festigen und via Weiterempfehlung hochwertiges Neugeschäft zu erhalten. Dazu heißt es, den Kunden Enttäuschungen zu ersparen und über den Zufriedenheitsstatus hinaus Momente der Begeisterung zu schaffen. Schauen wir uns einmal an, wie dies in Form eines Touchpoint Projektes bewirkt werden kann.

Die Planung des Projekts

Um das Customer Touchpoint Management als solches oder Teile davon als Projekt im Unternehmen erfolgreich einzuführen, sind zunächst folgende Schritte zu gehen:

Als erstes muss der Projektleiter berufen werden. Überlegenswert ist, einen Sachfremden auszuwählen. Der Vorteil dabei? Da er von der Materie selbst keine Ahnung hat, ist er gezwungen, sich mit den Teilnehmern auszutauschen und dabei auch ‚dumme‘ Fragen zu stellen. Durch solche Dialoge werden Zusammenhänge klarer, brachliegendes Wissen wird angezapft, Hierarchiebremsen werden ausgehebelt und der Blick durch eine andere Brille lässt oft ganz neue, mutige Ideen entstehen.

Zumindest zeitweise kann es auch sinnvoll sein, einen Externen als neutralen Moderator hinzuzuziehen, um der eigenen Betriebsblindheit zu entgehen. Nie würde ich hingegen empfehlen, solche Analysen voll und ganz von externen Beratern erstellen zu lassen. Das wichtigste ist die Akzeptanz der involvierten Mitarbeiter – und eine Vorgehensweise, die einfach und verständlich ist.

Die Zusammensetzung des Projekt-Teams

Im zweiten Schritt wird die Zusammensetzung des Projekt-Teams bestimmt. Dies sollte sich an der Aufgabenstellung orientieren. Deshalb: ‚Würfeln‘ Sie kein Team zusammen, sondern achten Sie auf einen guten Mix aus langjährigen und neuen, jungen und alten sowie männlichen und weiblichen Mitarbeitern. Laden Sie Kollegen aus unterschiedlichen Bereichen ein, damit die öde Zuständigkeitsdenke endlich aufhört – und in Zukunft die kundenbezogene Zusammenarbeit jenseits aller Ressort-Egoismen reibungslos klappt.

Beachten Sie auch, dass es im Verlauf eines Projektes immer zwei Phasen gibt: Die Phase der Ideenfindung und die Phase der Überführung in die Realität. Für beide Phasen benötigen wir unterschiedliche Menschentypen. Zwecks Ideenfindung braucht es Querdenker, Chaoten, Visionäre, Zerstörer und Regelbrecher. Diese geben den kreativen Input. Sie stellen die abwegigsten Fragen, sie denken das Undenkbare und träumen sich in die schönsten Luftschlösser hinein. In der ersten Phase kann man gar nicht genug verrückte Ideen haben.

In der zweiten Phase holt man dann die brauchbaren Ideen auf den Boden der Tatsachen zurück. Hierzu muss die Zusammensetzung des Projektteams verändert werden. Denn die Überführung auf ein hohes Niveau der Machbarkeit erfordert einen anderen Menschentypus: den detailverliebten Macher, Schützer und Bewahrer. Diesen brauchen wir, um die Trittsteine ins Neuland zu legen. Werden sie jedoch zu früh hinzugezogen, ersticken sie jede verrückte Idee im Keim.

Ziehen Sie zu passenden Projekt-Zeitpunkten auch einige – möglichst unbequeme – Kunden hinzu, die als Ideenlieferant und/oder Feedback-Geber fungieren. Sollte das nicht möglich sein, dann setzen Sie einen virtuellen Kundenrepräsentanten mit an den Besprechungstisch. Beim Fertighaushersteller Town & Country ist das eine lebensgroße Puppe namens Uschi. Bei allen kundenrelevanten Entscheidungen fragt man sich, was Uschi dazu sagen würde und ob sie begeistert wäre.

Das ‚Warmlaufen‘ im Projekt

Zum Einstimmen und Warmlaufen kann man den Projekt-Teilnehmern die folgende Aufgabe geben: „Sie haben zwei Minuten Zeit. Notieren Sie – jeder für sich – so viele potenzielle Kontaktpunkte wie möglich, die Sie mit einem Hotel haben könnten.“ Erfahrungsgemäß wird bei dieser Übung jeder Teilnehmer etwa 10 bis 20 Touchpoints finden und aufschreiben. Die Gruppe als Ganzes kommt je nach Teilnehmerzahl locker auf 50 bis 100 Touchpoints – und das in nur zwei Minuten.

Anschließend stelle ich den Teilnehmern gern die folgende Frage: „Welches ist der erste Kontaktpunkt, den ein potenzieller Kunde mit Ihrem Unternehmen hat?“ Die Antworten fallen – über alle Branchen hinweg – sehr ähnlich aus: Der Interessent kommt vorbei, er ruft an, er mailt, er erhält Unterlagen, er geht auf unsere Webseite, er betrachtet unsere Schaufenster, er wird von einem Außendienst-Mitarbeiter besucht … . Schon allein an diesen Antworten erkennt man die immer noch vorherrschend selbstzentrierte Sichtweise in den Unternehmen.

(Bild: © mapoli-photo – Fotolia.de)

Momente der Wahrheit aus Sicht des Kunden

Aus dem Blickwinkel des Kunden betrachtet entstehen die ersten Kontakte zu einem Unternehmen schon sehr viel früher:

Weil dieses vorentscheidende Suchverhalten der Kunden immer noch viel zu wenig im Vordergrund steht, wird übersehen, dass man es sich oft genug mit seinen Interessenten bereits verscherzt hat, noch bevor diese einen ersten direkten Kontaktversuch starten. Spätestens nun ist dann klar, wie intensiv man sich im Rahmen eines Touchpoint-Projekts gerade mit solchen vorgelagerten ‚Momenten der Wahrheit‘ beschäftigen muss.

Wie man Customer Touchpoints sichtbar macht

Durch diese Vorübungen ist der Blick durch die Kundenbrille geschärft und es kann an die nächsten Schritte gehen. Zwecks Abbilden der Ist-Situation lässt sich zum Beispiel eine Collage erstellen. Diese könnte je nach Branche folgenden Titel tragen:

Hierzu wird der Verlauf einer typischen ‚Customer Journey‘, also der Reise des Kunden durch das Unternehmen bildlich dargestellt. Dabei wird nicht nur geschrieben, es wird auch gemalt und geklebt. Ausgewählte Geschichten werden zum Besten gegeben und beispielhafte Kundenmeinungen vorgeholt. Mitgebrachte Produkte werden in ihre Bestandteile zerlegt oder schriftliche Unterlagen entsprechend aufgedröselt. Plus- und Minuspunkte werden gelistet. Dos und Don’ts werden per Storyboard oder Video dokumentiert.

Das Ganze lässt sich an Pinnwänden darstellen, die chronologisch nebeneinander stehen und durch den Weg des Kunden miteinander verbunden sind. Diese kann man im weiteren Verlauf des Projekts mit in seine Abteilung nehmen, um den Fortschritt zu dokumentieren und die Verbindungsstellen zu anderen Bereichen immer vor Augen zu haben. Inzwischen lassen sich dazu auch internetfähige Multimediawände benutzen, die man mit Fingerbewegungen wie bei einen iPad bedient.

Eine typische ‚Kundenreise‘ durch das Unternehmen, detailliert dokumentiert und an Pinnwänden dargestellt.

Wie man Customer Touchpoints optimiert

Auf Basis dieser oder einer ähnlichen Darstellung wird eine Prioritätenliste der zu bearbeitenden Touchpoints erstellt. Nach Erfassung der dortigen Ist-Situation wird die jeweils gewünschte oder notwenige Soll-Situation definiert und ein Maßnahmenplan entwickelt. Dieser wird in den angepeilten Zeitlinien ausgeführt. Dann wird das Ergebnis anhand passender Messgrößen überprüft und optimiert.

Dabei darf man bloß nicht in die alte Denke der Prozessorganisation zurückverfallen, nämlich, die Touchpoints aus einer Innensicht heraus zu betrachten. Nach solcher Denke sähe das in einem Autohaus dann zum Beispiel am Touchpoint Reparaturannahme fälschlicherweise so aus:

Im Customer Touchpoint Management betrachten wir diesen Vorgang aus Kundensicht. Die Formulierungen sehen dann richtigerweise so aus:

Dabei werden die zu optimierenden Touchpoints in Ober- und Untertouchpoints sortiert und optisch sichtbar gemacht. Danach wird bei den ausgewählten Touchpoints nach Enttäuschungs-, OK- und Begeisterungsfaktoren gefahndet. Sodann wird nach passenden Verbesserungen und schließlich nach Begeisterungsideen gesucht. Gerade von letzteren kann man gar nicht genug haben. Oft sind es nämlich die emotionalisierenden Kleinigkeiten, die den großen Unterschied machen. ‚The big litte things‘ sagt Management-Vordenker Tom Peters dazu. Bei mir heißen sie ‚Sternenstaub‘.

(Das Buch zum Artikel von Anne M. Schüller: Touchpoints: Auf Tuchfühlung mit den Kunden von heute)

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