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Der Mittelstand „tickt“ anders: Passende Qualifizierungsmaßnahmen für Führungskräfte

Führungskräfte als ReputationsbotschafterWie sollten Qualifizierungsmaßnahmen für unsere Führungskräfte konzipiert sein? Das fragen sich viele Personalverantwortliche in Mittelstand. Denn mittelständische Unternehmen „ticken“ anders als Konzerne. Also brauchen auch ihre Führungskräfte ein teils anderes Profil. Das sollte sich in den Maßnahmen widerspiegeln.

Verfolgt man die aktuelle Managementdiskussion, gewinnt man den Eindruck: Nur die Führungskräfte sind auf der Höhe der Zeit, die systemisch, lateral und virtuell führen. Die Realität im Mittelstand sieht anders aus. Dort wird vielfach noch nach dem handwerklichen Meisterprinzip „kommandieren, kontrollieren, korrigieren“ geführt beziehungsweise gesteuert – insbesondere in den produzierenden sowie produktionsnahen Bereichen. Und trotzdem (oder gerade deshalb) haben die Unternehmen Erfolg.

Noch! Denn zunehmend stößt das Führen nach dem Meisterprinzip an seine Grenzen – unter anderem, weil sich viele Mittelständler zu international tätigen High-Tech-Unternehmen entwickelt haben. Dadurch wurde ihr Geschäft komplexer, und die Anforderungen an die Mitarbeiter stiegen. Statt eines – überspitzt formuliert – stupiden Erfüllens der Aufgaben und Anweisungen ist heute ein aktives Mitdenken und Sich-mitverantwortlich-fühlen gefragt. Das spiegelt sich in der Struktur der Mitarbeiter wider. Dominierten in den Werkhallen vieler Mittelständler vor ein, zwei Jahrzehnten noch die angelernten Mitarbeiter, so findet man heute dort fast nur noch hochqualifizierte Fachkräfte. Und in den produktionsnahen Bereichen wie Forschung & Entwicklung sowie Konstruktion? Dort arbeiten heute fast ausschließlich Mitarbeiter mit (Fach-)Hochschulschluss – in interdisziplinären Teams, die hochkomplexe Problemlösungen entwickeln. Diese hochqualifizierten Mitarbeiter stellen ebenso wie die gewandelten Aufgaben und Prozesse andere Anforderungen an die Führungskräfte, weshalb deren Profil zunehmend ein anderes sein muss als noch vor wenigen Jahren.

Anderes (Kompetenz-)Profil gefragt

Klar ist gerade bei Führungskräften im Mittelstand: Sie müssen auch künftig eine sehr hohe Fachexpertise haben, um die ihnen anvertrauten Bereiche zu führen. Keinesfalls müssen und können sie aber, wie in den handwerklich geprägten Betrieben der Vergangenheit, bezogen auf alle in ihrem Bereich anfallenden Aufgaben die beste Fachkraft sein. Stattdessen lautet ihre Kernaufgabe zunehmend, ein Team von Spezialisten so zu führen, dass

Das ist unter den veränderten Rahmenbedingungen mit einem Führungsstil nach dem Meisterprinzip „kommandieren, kontrollieren, korrigieren“ allein nicht möglich – selbst wenn er in gewissen Situationen weiterhin berechtigt ist. Stattdessen müssen die Führungskräfte stärker auf die Kompetenz ihrer Mitarbeiter bauen und in einem partnerschaftlichen Dialog mit ihnen nach den jeweils bestmöglichen (Problem-)Lösungen suchen. Das heißt: Führung muss persönlicher, individueller und situativer werden, was schwieriger ist als Mitarbeiter top-down per Anweisung zu führen oder dirigieren.

Sind die Führungskräfte im Mittelstand für diese Aufgabe gerüstet? Zum Teil ja – und zwar die wenigen Naturtalente und die Führungskräfte, die in jungen Jahren das Glück hatten, von einem Mentor in die Kunst der Menschenführung eingeführt zu werden. Dies ist jedoch eher die Ausnahme. Denn noch immer gilt: In den meisten mittelständischen Unternehmen findet keine systematische Führungskräfteentwicklung statt. Vielmehr erfolgt das „Führen-lernen“ noch weitgehend nach der Trial-and-Error-Methode – auch mit der Konsequenz, dass im Unternehmen keine gemeinsame, bereichs- und hierarchieübergreifende Führungskultur entsteht. Jeder führt vielmehr, wie er will und kann.

Der Handlungsbedarf ist erkannt

Dass sie an diesem Punkt aktiv werden müssen, das haben im vergangenen Jahrzehnt viele Mittelständler erkannt. Deshalb investieren sie auch mehr Zeit und Geld in das Qualifizieren ihrer Führungskräfte. Dabei besteht jedoch vielfach eine große Unsicherheit, worauf bei der Auswahl und Konzeption der Maßnahmen zu achten ist. Vor allem aus folgendem Grund: Zumindest latent ist den meisten Personalverantwortlichen bei Mittelständlern bewusst, dass mittelständische Unternehmen eine andere Kultur und Struktur als Konzerne haben, weshalb auch ihre Führungskräfte ein teils anderes Profil als Konzernmanager brauchen. Folglich müssen auch ihre Führungstrainings teils anders konzipiert sein. Doch wie, das ist vielen unklar.

Deshalb einige Tipps, worauf Mittelständler beim Konzipieren (und Einkaufen) von Qualifizierungsmaßnahmen für ihre Führungskräfte achten sollten.

Worauf kommt es primär an?

Je turbulenter die Zeiten sind und je fordernder der Führungsalltag ist, desto größer ist die Sehnsucht von Führungskräften nach Rezepten und schematischen Lösungen. Tools und Persönlichkeitsprofile sollen es richten. Kein Führungskräftetraining, das nicht mit dieser Erwartung der Teilnehmer startet. Und nur wenige Qualifizierungskonzepte, die nicht erst mal auf das Schulen von Führungsinstrumenten setzen.

Das greift zu kurz! Nicht Methodenschulung, sondern Charakter- und Bewusstseinsbildung sollten im Zentrum der Führungskräftetrainings stehen. Denn wer sich nicht als Führungskraft begreift, bekommt auch kein kritisches Beurteilungsgespräch hin. Und wer nicht am eigenen Leib erlebt hat, wodurch sich eine echte Führungs-KRAFT von

unterscheidet, wird nur selten die erforderliche Balance in seinem Führungsverhalten wahren.

Tipp: Klopfen Sie die Ihnen offerierten Führungskräfteentwicklungsmaßnahmen daraufhin ab, inwieweit Sie den Teilnehmern praxisnah das erforderliche Bewusstsein vermitteln, was es heißt, eine Führungskraft im Mittelstand zu sein.

(Bild: © FotolEdhar – Fotolia.de)

Welche Qualifizierungsmethoden passen?

Gelernt werden sollte konsequent entlang der Themen aus dem eigenen Führungsalltag – also im „Hier und Jetzt“ der Trainingsgruppe statt in Kontexten, die von der Firmenrealität weit entfernt sind. In komprimierter Form müssen typische Führungssituationen unter steigenden Anforderungen und Druckbedingungen trainiert werden. Dabei sollte der Schwierigkeitsgrad das Niveau im Betriebsalltag überschreiten. Denn dieses Überpotenzial setzt Kompetenzen frei, die bisher ungenutzt blieben.

Neben Anregungen zum Mitdenken müssen im Training auch Emotionen angesprochen werden, damit sich die Lernerfahrungen einprägen. Besonders wichtig ist die Variation. Durch viele verschiedene und wechselnde Übungsbedingungen werden Führungsfähigkeiten erweitert und verinnerlicht. Und selbstverständlich müssen auch Tools und Hintergründe vermittelt werden – aber nur in maximal zehn Prozent der Zeit.

Tipp: Überprüfen Sie die Konzepte daraufhin, wie stark sie den Führungsalltag in Ihrem Unternehmen aufgreifen. Dann wissen Sie schnell, ob sie zu Ihrer Organisation passen.

Wie sollte das Lernen konzipiert sein?

Wenn man Top-Manager fragt, an welchen Punkten ihres Karrierewegs sie Führungsstärke entwickelt haben, dann lautet eine wiederkehrende Antwort: „…in herausfordernden Führungssituationen, in denen ich mein Potenzial voll ausschöpfen musste, ohne daran zu scheitern“.

Leistungsträger sind nicht an Theorien interessiert. Sie wollen wissen, wie sie ihren Wirkungsgrad erhöhen können, um mit ihren Mitarbeitern die besten Resultate zu erzielen. Ein Training findet dann ihre Akzeptanz und Aufmerksamkeit, wenn es wirkungsorientiert statt theorielastig gestaltet ist.

Tipp: Checken Sie das Konzept daraufhin, ob es den Teilnehmern nachhaltig und eindrucksvoll die Wechselwirkung zwischen Führungsstil und Leistung der Mitarbeiter verdeutlicht. Ist dies nicht der Fall, sollten Sie sich für ein anderes Konzept/Design entscheiden.

Die Teilnehmer sollten zudem ihr Führungsverhalten in Echtsituationen trainieren können. Sie müssen mit ungeteilter Konzentration in Führungssituationen außerhalb ihrer persönlichen Komfortzone agieren – mit der Chance, in einem lehrreichen Rahmen bisher ungenutzte Potenziale zu erschließen. Anspruchsvoller als im Alltag sollte es dabei hergehen und den üblichen Referenzrahmen erweiternd – und nicht gemütlicher wie in vielen Seminaren.

Tipp: Checken Sie, inwieweit das Konzept die Teilnehmer fordert – zum Beispiel, weil sie als Team binnen 24 Stunden ein anspruchsvolles Projekt mit Relevanz für das Unternehmen stemmen müssen und dabei den gesamten Führungszyklus „live“ durchleben (mit allen damit verbunden Aufgaben vom Mitarbeiter auswählen, über das Zielgespräche führen und Aufgaben delegieren bis hin zum Präsentieren und Bewerten der Ergebnisse).

Erfahrung allein erzeugt noch kein Wachstum. Erst die emotionale und kognitive Reflexion erschließt das volle Lernpotenzial. Deshalb sollte in den Trainings auf die Praxisphasen stets eine Auswertung folgen. In dieser Phase muss den Teilnehmern auch ein wachstumsorientiertes Feedback gegeben werden – zur inneren Haltung, den Führungs- und Konfliktmustern und zur Führungstechnik. So entsteht eine steile Lernkurve, die sich durch das Erleben tief in den Routinen des Alltags verankert. Oberflächliches Feedback hilft nicht weiter.

Tipp: Achten Sie darauf, dass am Ende der Praxisphase ein intensiver Feedbackprozess steht. Denn erst dadurch wird der eigentliche Lernprozess in Gang gesetzt.

Was haben die Beteiligten davon?

So praxisnah konzipierte und das individuelle und kollektive Lernen stimulierende Oualifizierungsmaßnahmen stoßen bei Führungs(nachwuchs-)kräften auf eine sehr hohe Akzeptanz, weil sie sich in ihnen vergleichbar ihrem Alltag gefordert sehen und auf ihre brennenden Fragen umsetzbare Antworten erhalten.

Spaß macht ein solches Lernen oft nicht – unter anderem, weil die Teilnehmer hierbei (abgeleitet aus und begründet mit dem beobachteten Verhalten) auch ihren noch bestehenden Lernfeldern konfrontiert werden. Umso größer ist jedoch der Gewinn dieses „Unhappy-Learning“. Denn an seinem Ende stehen Freude über die gewonnenen Erkenntnisse, Klarheit über die eigenen produktiven Verhaltensweisen und Stolz auf das Geleistete. Und belohnt wird die Anstrengung mit mehr Sicherheit in der Führungsrolle und im Führungsalltag.

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