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Widersprüchliche Ziele? So managen Sie Dilemmata!

Stabile Führungskräfte im MittelstandInvestieren und zugleich die Liquidität sichern. Umstrukturieren und das Alltagsgeschäft am Laufen halten. Den Service verbessern und die Kosten im Griff behalten. In solchen Zielkonflikten, auch Dilemmata genannt, befinden sich Unternehmen stets. Also muss ihr Führungspersonal lernen, sie zu managen.

„Mal heißt es hü, mal heißt es hott“ – diese Klage hört man oft von Mitarbeitern. Sie kritisieren immer wieder, ihre Führungskräfte würden sie mit ihren wechselnden (Ziel-)Vorgaben „kirre“ machen. Zuweilen zu Recht! Bei schwachen und noch unerfahrenen Führungskräften registriert man oft, dass sie recht planlos agieren und ihre Mitarbeiter mit permanent wechselnden und sich teils widersprechenden Anweisungen „führen“ – oder genauer gesagt „irritieren“.

Meist liegt solchen Klagen von Mitarbeitern jedoch ein Problem zugrunde, mit dem alle Führungskräfte regelmäßig kämpfen: Sie stehen beim Führen des ihnen anvertrauten Unternehmens oder Bereichs vor der Herausforderung, ein ganzes Bündel von sich teils widersprechenden Zielen zu erreichen. Und weil die Rahmenbedingungen sich permanent ändern, müssen sie immer wieder die Prioritäten verschieben. Das erzeugt bei den Mitarbeitern zuweilen das Gefühl „Unser Chefs wissen selbst nicht, was sie wollen“ – zumindest dann, wenn ihnen die (scheinbaren) Kurswechsel nicht ausreichend erklärt werden.

Dilemmata sind nicht lösbar

Die Sozialwissenschaft spricht von einem Dilemma, wenn eine Person zeitgleich mehrere, sich teils widersprechende Ziele erreichen möchte oder muss. Ein typisches Dilemma ist die vieldiskutierte „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Für dieses Dilemma gilt wie für alle Dilemmata: Es lässt sich, zumindest wenn man Beruf mit „Karriere“ gleichsetzt, für die meisten Berufstätigen nur bedingt lösen – egal, welch tolle Unterstützung der Arbeitsgeber oder Staat gewährt. Denn wer viel Geld verdienen will, muss in der Regel auch viel schuften. Und wer, weil er beruflich vorwärts kommen möchte, rund um den Globus jettet, der kann eben nicht jeden Abend zuhause sein.

Vor solchen Dilemmata stehen auch Unternehmen immer wieder. Ein typisches Dilemma, vor dem Unternehmensführer oft stehen, ist: Wenn unser Betrieb auch künftig zu den Top-Anbietern im Markt zählen soll, dann müssen wir investieren – sei es in neue Produkte oder in die Entwicklung neuer Technologien oder in das Erschließen neuer Märkte. Wenn unser Unternehmen hierfür aber sehr viel Geld ausgibt, dann sinken seine Liquidität und sein Ertrag und die Verschuldung steigt. Das heißt, das Unternehmen wird abhängiger von Kapitalgebern, was seine Eigenständigkeit, wenn nicht gar Existenz gefährden kann.

Solche Dilemmata gibt es auch auf der Bereichsebene von Unternehmen. Hierfür ein Beispiel. Bei vielen Maschinen- und Anlagenbauern besteht folgender Dauerkonflikt zwischen Vertrieb und Produktion: Die erfolgsabhängig bezahlten Verkäufer wollen möglichst viel verkaufen. Also versprechen sie potenziellen Kunden das Blaue vom Himmel und keine Spezialanfertigung ist unmöglich. Und die Produktion? Sie kämpft anschließend mit dem Problem, dass aufgrund der zahlreichen Sonderanfertigungen ihr Output sinkt und die Kosten nach oben schnellen.

Vor einem ähnlichen Dilemma stehen zurzeit viele Banken. Eine Aufgabe ihrer Verkäufer lautet, möglichst viele Kredite zu verkaufen. Also versuchen sie dies – auch auf die Gefahr hin, dass einige Kreditnehmer das Geld nicht zurückbezahlen können. Zugleich lautet eine Vorgabe der bankinternen Kontrolleure: Die Zahl der Kreditausfälle soll gegen Null tendieren. Also lehnen sie manche von den Verkäufern mühsam akquirierte Kreditanfrage ab. Dies führt zu „Dauerzoff“ in vielen Banken.

Dilemmata managen und bearbeiten

Kennzeichnend für Dilemmata ist: Sie lassen sich nicht lösen. Denn selbstverständlich muss ein Unternehmen Vorsorge betreiben, dass es auch in fünf oder zehn Jahren noch erfolgreich ist – also investieren und sich „modernisieren“. Dabei muss es jedoch darauf achten, dass es sein Tagesgeschäft noch erfüllen kann und liquide bleibt. Und selbstverständlich muss ein Unternehmen, das in scharfem Wettbewerb steht, auch auf individuelle Kundenwünsche eingehen. Dabei muss es aber darauf achten, dass hierunter nicht seine Produktivität leidet. Also kann das Dilemma beziehungsweise der Zielkonflikt nicht ein für alle Mal gelöst, es kann nur gemanagt werden. Dabei lassen sich folgende „Schritte“ unterscheiden.

Schritt 1: Das Dilemma erkennen.

Bereits dies fällt den Beteiligten in den Unternehmen oft schwer. Den Top-Entscheidern, weil sie zu wenig ins Alltagsgeschäft des Unternehmens involviert sind und nicht adäquat einschätzen können, was gewisse (strategische) Entscheidungen wie „Wir strukturieren um“ oder „Wir expandieren“ für die Organisation bedeuten. Und die Führungskräfte auf der Bereichs- und Abteilungsebene sowie ihre Mitarbeiter? Ihnen fällt es oft schwer, ein Dilemma wahrzunehmen, weil sie bei ihrer Arbeit primär ihren eigenen (Aufgaben-)Bereich vor Augen haben und nicht ausreichend sehen, was zudem nötig ist, damit das Gesamtunternehmen (auf Dauer) mit Erfolg arbeitet.

(Bild: © iStockphoto.com)

Schritt 2: Das Dilemma nicht negieren.

Pragmatische Macher neigen dazu, Dilemmata zu negieren. Sie tun zum Beispiel Hinweise von Kollegen oder Untergebenen wie „Hier haben wir einen Zielkonflikt“ oder „Wir könnten ein Problem bekommen, wenn …“ häufig als „Geschwätz“ ab und interpretieren sie als Ausdruck mangelnder Entschluss- und Tatkraft. Entsprechend aktionistisch ist oft ihr Handeln, das kurzfristig sogar meist „Früchte“ trägt. Doch dann rächt es sich plötzlich bitter, dass über einen längeren Zeitraum die „konkurrierenden“ Ziele vernachlässigt wurden. Zum Beispiel in der Form, dass die Produkte des Unternehmens nicht mehr marktfähig sind. Oder Kundengruppen wegbrechen. Oder Leistungsträger scharenweise abwandern.

Schritt 3: Das Dilemma besprechbar machen.

Die meisten Ziele von Unternehmen hängen direkt oder indirekt zusammen und beeinflussen sich wechselseitig – weshalb ja die Dilemmata entstehen. Entsprechend wichtig ist es, für das Managen von Dilemmata zu analysieren: Welche Ziele haben das Unternehmen und seine Bereiche? Wie hängen diese zusammen? Und: Welchen Einfluss haben sie auf den kurz-, mittel- und langfristigen Erfolg des Unternehmens? Hilfreich kann hierbei das Erstellen einer Strategielandkarte sein, in der die Ziele aufgelistet sind und ihre wechselseitige Beziehung abgebildet wird.

Schritt 4: Regeln für den Umgang mit dem Dilemma vereinbaren.

Welches Vorgehen empfiehlt sich, wenn ein Mitarbeiter erkennt: Es fällt mir schwer, Familie und Beruf zu vereinbaren, und ich leide darunter? Dann sollte er das Gespräch mit seinem Vorgesetzten suchen und zu ihm sagen: „Chef, ich habe einen ‚Zielkonflikt‘. Lass‘ uns mal darüber reden, wie wir ihn so ‚lösen‘ können, dass meine Interessen und die des Betriebs angemessen berücksichtigt werden.“ Außerdem sollte er sich mit seinem Lebenspartner an einen Tisch setzen und zu ihm zum Beispiel sagen: „Wir wollen beide Karriere machen und trotzdem Zeit für uns und unsere Familie haben…. Lass‘ uns einmal darüber reden, wie wir ….“. Am Ende des Gesprächs können dann Absprachen getroffen und Regeln für den Umgang mit dem Zielkonflikt vereinbart werden.

Ähnlich ist es in Unternehmen. Auch hier muss jemand die Initiative ergreifen und mit Nachdruck sagen: „Wir haben einen Zielkonflikt und müssen uns auf eine Strategie verständigen, wie wir …“ Dies ist gerade deshalb wichtig, weil viele Zielkonflikte in Unternehmen so „alltäglich“ sind, dass sie oft als „nicht managebar“ erachtet werden. Folglich wird ihre Bearbeitung so lange auf die lange Bank geschoben, bis bildlich gesprochen die Hütte brennt.

Schritt 5: Sich nicht sklavisch an die Regeln halten.

Unternehmen bewegen sich in einem dynamischen Umfeld. Das heißt, die Rahmenbedingungen ändern sich permanent. Also müssen die Beteiligten im Unternehmen regelmäßig prüfen: Eignen sich die formulierten Regeln noch zum Managen der Dilemmata oder brauchen wir neue? Doch auch zwischenzeitlich müssen sie im Dialog bleiben. Denn im Betriebsalltag tauchen immer wieder „Sonderfälle“ auf, die von den Regeln nicht erfasst werden. Zum Beispiel hat der Vertrieb einen Neukunden an der Angel, der sich zu einem Top-Kunden entwickeln könnte. Dann müssen die Drähte zwischen Vertrieb und Produktion glühen, um zu klären, unter welchen Voraussetzungen gewisse Sonderwünsche doch erfüllbar wären, obwohl eigentlich vereinbart war, …. Entsprechendes gilt, wenn ein unvorhergesehenes Ereignis wie die Finanzkrise die Liquidität des Unternehmens bedroht.

Das Bewusstsein für Dilemmata schärfen

Auf besondere Herausforderungen und veränderte Rahmenbedingungen flexibel zu reagieren, das gelingt Unternehmen nur, wenn zumindest im Führungskreis ein gemeinsames Bewusstsein darüber besteht,

Dieses Bewusstsein müssen Unternehmen ihren Mitarbeitern und insbesondere ihren Führungskräften vermitteln.

Zudem muss ihr Führungspersonal lernen, viele sich teils widersprechende Ziele parallel zu managen und permanent neu auszubalancieren – denn dies wird aufgrund des sich rasch Unternehmensumfelds zu einer zentralen Managementaufgabe.

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