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Stell dir vor, du bist auf einer Cocktailparty. Du nimmst das Klirren der Gläser wahr, hörst, wie Jazzmusik im Hintergrund läuft und wie die Menschen um dich herum reden. Du befindest dich gerade mitten im Gespräch mit einer Runde von Gästen, als irgendwo in der Nähe dein Name fällt. Natürlich horchst also auf, obwohl du dich eigentlich gänzlich auf dein Gespräch konzentrieren willst. Das ist eine automatische Reaktion, die so gut wie jeder kennen dürfte. Für Psychologin Jennifer Haase sagt dieser Mechanismus zwei Sachen aus: „Erstens: Wir nehmen die ganze Zeit viel mehr auf, als uns bewusst ist und wir verarbeiten, weil wir sehr stark selektieren.“ Und zweitens: Die unbewusst wahrgenommenen Eindrücke werden von unserem Gehirn unbemerkt ausgewertet. Doch sie bekommen unsere Aufmerksamkeit erst, wenn sie uns wichtig erscheinen. Doch was ist, wenn wir dadurch etwas wichtiges verpassen – und der Fokus auf Effizienz plötzlich negative Folgen hat?

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Technologische Helfer erweisen sich als Hindernisse

Das „Cocktailparty“-Phänomen führt Haase deshalb an, um deutlich zu machen: Ist der Fokus zu eng gesetzt, blenden wir möglicherweise wichtige Dinge unbewusst aus. Die Psychologin untersucht am Institut für Informatik der Humboldt-Universität zu Berlin den Einfluss von technologischen Hilfsmitteln auf unser Arbeitsleben. Die technischen Helferlein sollen uns im Alltag unterstützen und für mehr Effizienz bei der Arbeit sorgen. In der Realität schieben uns die Helferlein jedoch durchweg Termine in Besprechungen rein, Notizen in To-Do-Listen stapeln sich und letztlich bleibt doch vieles unerledigt. Die Tools sind kurzfristig zwar nett, um Fleißarbeiten schnellstmöglich hinter sich zu bringen. Doch langfristig sind sie nicht zielführend, da sie uns die Weitsicht nehmen und zu einem Tunnelblick führen. Neues und Kreatives kann so nicht entstehen.

Toxische Produktivität: Wenn Effizienz negative Konsequenzen hat

Wenn der Fokus auf Leistungserbringung schädlich wird, nennt man dieses Phänomen auch „toxische Produktivität“. Wer toxisch produktiv ist, opfert das eigene Wohlbefinden im Streben nach mehr Effizienz. Während gesunde Produktivität das Gleichgewicht von Arbeit und Erholung wahrt, macht toxische Produktivität Druck, immer und überall produktiv zu sein. Dass sich diese Einstellung heutzutage wie ein Lauffeuer verbreitet, liegt auch an den Entwicklungen der modernen Business-Welt.

„Hustle-Culture“ und „Always on“-Mentalitäten gehören mittlerweile ebenso wie lange Überstunden und permanente Erreichbarkeit zum guten Ton. Dabei schaden diese Haltungen langfristig nicht nur den Arbeitnehmern, die sich immer größere Lasten aufbürden. Auch die Unternehmenskultur trägt auf Dauer Schäden davon, denn die toxische Produktivität geht nicht von unten aus – sie wird von Führungskräften vorgelebt. Diese treiben ihre Mitarbeiter wiederum immer härter an. Mit der Zeit herrscht auch unter diesen dann eine Art Konkurrenzdenken, was Misstrauen fördert und die Arbeitszufriedenheit senkt.

Wie Unternehmen unter der „Hustle-Culture“ leiden

Ironischerweise erzeugt der Fokus auf Effizienz also genau das Gegenteil von Produktivität. Bei ständiger Überarbeitung sinkt die Konzentration und Fehler werden von der Ausnahme zur Regel. Mitarbeitende, die sich in diesem Hamsterrad der Produktivität befinden, werden zunehmend weniger kreativ, ihre Motivation nimmt ab und treffen Fehlentscheidungen. Langfristig sinkt damit auch die Innovationskraft des Unternehmens. Studien zeigen, dass Unternehmen, die innovativer sind, bessere Chancen haben, auf Dauer zu überleben. Die Chancen sinken allerdings, wenn die Innovationskraft abnimmt. Doch welche Wege gibt es, aus einer Kultur der toxischen Produktivität auszubrechen?

So gelingt der Wandel zu einer gesunden Unternehmenskultur

Um den Tunnelblick auf Effizienz wieder loszuwerden und toxische Produktivität zu bekämpfen, müssen sowohl einfach Angestellte als auch Führungskräfte aktiv werden. Dabei helfen vor allem drei Maßnahmen:

  • Work-Life-Balance fördern: Unternehmen sollten die Bedeutung von Pausen und Erholung betonen. Dazu gehört auch, auf die Beschäftigten einzugehen und Forderungen nach flexiblen Arbeitszeiten und Homeoffice-Optionen ernst zu nehmen. Qualität sollte über Quantität stehen.
  • Erfolg neu definieren: Die Messung des Erfolgs sollte nicht allein über die Produktivität gemessen werden. Letztlich sind Kreativität, Innovation und eine gesunde Teamdynamik ebenso wichtig. Unternehmen, die diese Punkte wertschätzen, sind außerdem attraktiver für Top-Talente.
  • Grenzen setzen: Mitarbeitende müssen eigenständig Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben ziehen. Nach der Arbeit abschalten zu können, ist förderlich für die Gesundheit und Zufriedenheit. Auch Führungskräfte sollten das beherzigen und bestenfalls nach der Arbeit nicht erreichbar sein.

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