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Das Konzept Ikigai ist in westlichen Kreisen weit verbreitet, doch oft wird es missverstanden. Zwei zentrale Missverständnisse dominieren:

  1. Viele verwechseln Ikigai mit einem populären Venn-Diagramm, das Fragen wie „Was kann ich gut?“, „Was ist meine Leidenschaft?“, „Was braucht die Welt?“ und „Womit kann ich Geld verdienen?“ kombiniert. Dieses „Purpose-Diagramm“, ursprünglich von A. Zuzunaga, einem spanischen Astrologen, entwickelt, wurde fälschlicherweise mit dem Begriff Ikigai assoziiert. Diese Interpretation wurde millionenfach geteilt, führt jedoch in die Irre. Während die Fragen des Diagramms wertvolle Denkanstöße für Karriereorientierung bieten, entsprechen sie nicht der ursprünglichen, japanischen Bedeutung von Ikigai.
  2. Im japanischen Verständnis ist Ikigai weit mehr als beruflicher Erfolg oder finanzieller Gewinn. Es geht um die essenziellen Fragen: Was macht das Leben lebenswert? Was gibt unserem Alltag Bedeutung?

Die wahre Bedeutung von Ikigai

Ikigai ist eine persönliche, tiefgründige Suche nach Quellen der Freude und des Sinns. Es ist der Grund, morgens aufzustehen, und umfasst die kleinen und großen Dinge, die unser Leben bereichern. Dabei unterscheidet das japanische Ikigai zwischen:

  • Der Ikigai-Quelle: Hierbei geht es um die äußeren und inneren Faktoren, die unser Leben bereichern – wie Kolleg:innen, alltägliche Routinen, unsere Gesundheit oder auch das Erleben von Natur. Die Quelle hilft, Dankbarkeit für das scheinbar Selbstverständliche zu kultivieren.
  • Dem Ikigai-Gefühl: Dieses beschreibt die emotionale Resonanz, die wir empfinden, wenn wir unseren Werten und Zielen nachgehen. Es schafft eine Sprache für das, was uns innerlich bewegt und Bedeutung stiftet.

Ikigai und der Unternehmensalltag

Emotionen spielen in Unternehmen oft eine untergeordnete Rolle – obwohl sie essenziell für Entscheidungen sind. Forschung von Neurowissenschaftlern wie Antonio Damasio und Daniel Kahneman zeigt, dass Emotionen untrennbar mit Entscheidungsprozessen verbunden sind. Dennoch bleiben Gespräche über Werte, Sinn und Emotionen im beruflichen Kontext rar.

Ikigai bietet hier einen doppelten Zugang:

  1. Werte sichtbar machen: Was ist für uns als Individuen und als Team bedeutsam? Welche Werte prägen unseren Alltag, und wie können wir vermeintlich einfache Dinge – wie Zusammenarbeit oder kleine Erfolge – wertschätzen?
  2. Gefühle erkennen und einbinden: Wie spüren wir diese Werte im Alltag? Welche Emotionen verbinden wir mit Sinn und Erfolg, und wie können wir sie bewusst kultivieren?

Dieser Ansatz stärkt nicht nur die persönliche Resilienz, sondern auch die emotionale Intelligenz und Empathie in Teams. Führungskräfte können dadurch eine Kultur etablieren, die Werte und Sinn ins Zentrum rückt – mit positiven Effekten auf Motivation, Zusammenarbeit und Entscheidungsfähigkeit.

Ikigai als Werkzeug für Unternehmen

Eine Auseinandersetzung mit Ikigai kann Teams und Organisationen dabei helfen, Klarheit über Werte und Ziele zu gewinnen. Unsere kostenfreien Materialien, wie Poster und Journals, bieten einen ersten Einstieg.

Darüber hinaus ergänzt das Prinzip von Ikigai weitere japanische Philosophien wie Kintsugi – die Kunst, Zerbrochenes mit Gold zu reparieren. Diese Metapher für Resilienz und Wertschätzung findet auch in Unternehmen Anwendung.

Ikigai ist weit mehr als eine Karriere- oder Sinnfindungsstrategie. Es lädt dazu ein, das Leben in seiner Tiefe zu erfassen – eine Bereicherung, die sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen zugutekommt.

Ein Beispiel für eine konkrete Übung im Team mit dem wahren IKIGAI:

Übung für Teams: Werte und Sinn im Arbeitsalltag sichtbar machen

Diese Übung, inspiriert von Ikigai, hilft Teams, individuelle Werte und Sinnquellen zu erkennen und den Zusammenhang zu gemeinsamen Aufgaben und Herausforderungen zu reflektieren.

Ziel der Übung:

  • Werte sichtbar machen: Was treibt uns an?
  • Sinn verbinden: Wie hängen unsere Aufgaben mit persönlichen und gemeinsamen Werten zusammen?
  • Stress besser verstehen: Welche Herausforderungen können wir durch Sinngebung anders betrachten?

Dauer: 30-45 Minuten

Benötigte Materialien: Flipchart oder Whiteboard, Stifte, Papier

Schritt 1: Individuelle Reflexion (10 Minuten)

Jede Person erhält ein Blatt Papier mit zwei Kreisen (wie in der Abbildung).

  • Innerer Kreis: Notiere alle Quellen, die deinem beruflichen und privaten Leben Sinn geben. Dies können kleine oder große Dinge sein, wie die Zusammenarbeit im Team, persönliche Projekte oder Werte wie Verantwortung und Unterstützung.
  • Äußerer Kreis: Notiere aktuelle Stressfaktoren, die dich in deinem Arbeitsalltag fordern.

Schritt 2: Verbindungen herstellen (10 Minuten)

  • Überlege nun, welche Stressfaktoren mit deinen Sinnquellen verbunden sind. Ziehe Linien zwischen den Punkten, die sich beeinflussen.
    Beispiel: Wenn der Stress durch eine Deadline entsteht, könnte die Sinnquelle „Erreichen gemeinsamer Ziele“ damit verbunden sein.

Schritt 3: Team-Diskussion (15 Minuten)

Das Team teilt freiwillig einige Ergebnisse. Diskutiert folgende Fragen:

  • Welche gemeinsamen Werte lassen sich erkennen?
  • Wie können diese Werte in den Arbeitsalltag integriert werden?
  • Welche Stressfaktoren sind nicht mit Sinn verbunden, und wie können wir sie gemeinsam angehen oder minimieren?

Schritt 4: Fokus auf Einflussbereiche (10 Minuten)

  • Besprecht, welche Stressfaktoren innerhalb eures Einflussbereichs liegen und wie ihr diese aktiv gestalten könnt.
  • Für Faktoren außerhalb eures Einflussbereichs: Welche Haltung könnt ihr gemeinsam einnehmen, um mit diesen Herausforderungen besser umzugehen?

Klaus Motoki Tonn

Klaus Motoki Tonn ist Autor, Unternehmer und Experte für Sinn- und Werteorientierung, dessen Werke eine Brücke zwischen östlicher und westlicher Philosophie schlagen. Motoki versteht es, komplexe Themen wie Resilienz, persönliche Entwicklung und die Kunst des Zuhörens in eine zugängliche und zugleich tiefgründige Sprache zu fassen. Seine Arbeit ist geprägt von über 22 Jahren Erfahrung in der Begleitung von Führungskräften, Teams und Einzelpersonen auf ihrem Weg zu mehr Klarheit, Sinn und innerer Stärke. Als zertifizierter Coach und Facilitator für Search Inside Yourself und Time to Think integriert er fundierte wissenschaftliche Ansätze mit praktischen Übungen. Seine Perspektiven sind stark von der Logotherapie Viktor Frankls, den sieben Dimensionen des Ikigai nach Mieko Kamiya und seinen persönlichen Erfahrungen beeinflusst. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit ist Motoki Gründer von Finde Zukunft, einer Plattform für Kurse und Medien rund um Resilienz, Werteorientierung und achtsames Leben, sowie von Lumen Partners, einer Design- und Strategieagentur. Seine Beiträge rangieren regelmäßig unter den Top-Ergebnissen auf Google und zeichnen sich durch höchste Qualität und Relevanz aus.

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