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Weniger ist manchmal mehr: Beschränkung auf verkaufsstarke ProdukteViele Unternehmen meinen, nur dann im Wettbewerb bestehen zu können, wenn sie den Kunden durch eine hohe Varianten- und Produktvielfalt eine möglichst differenzierte Lösungen für Ihre Probleme bieten können – auch wenn sie wissen, dass dies kostspielig ist .

Doch muss das wirklich so sein? Nein! Bestes Beispiel ist Apple. Der Elektronik-Riese bringt zwar in regelmäßigen Abständen neue Versionen seiner Smartphones heraus, die angebotene Variantenvielfalt ist allerdings sehr begrenzt: Drei Speichergrößen, zwei Farbvarianten und das war es auch schon an Auswahl. Ähnlich ist es bei den Discountern im Einzelhandel: Im Vergleich zu den Vollsortimentern strotzen sie nicht gerade vor Variantenvielfalt. Doch sie bieten das Wesentliche, was man braucht.

Man kann also offensichtlich von dem Minimalismus Apples und der Discounter etwas lernen. Schließlich zeigen die Erfolge dieser Unternehmen, dass man sich auch ohne hohe Varianten- und Produktvielfalt am Markt behaupten kann. Mehr noch: die Beschränkung des Portfolios kann sogar die eigene Marktposition verbessern. Schließlich kostet Vielfalt den Anbieter jede Menge Geld: Entwicklungskosten, Produktionskosten, Logistikkosten, Vertriebskosten.

Den Umsatz analysieren

Strukturiert man die Fertigartikel oder die Komponenten eines typischen Produktions- oder Handelsunternehmens einmal nach ihrem Beitrag zum Umsatz, bzw. ihrem Lagerdurchsatz (ABC-Kriterien) und einmal nach ihrer Bedarfsregelmäßigkeit (XYZ-Kriterien) und überlagert die beiden Klassifizierungen in einem ABC/XYZ-Portfolio, zeigen sich erstaunliche Effekte:
Im AB/XY-Bereich werden mit 20% bis 30% der Artikel 60% bis 80% des Umsatzes erwirtschaftet. Im CZ-Segment werden mit 40%- 50% der Artikel 1,5% bis 3% des Umsatzes erreicht. und während im AB/XY-Bereich die Bestandsreichweiten meist recht gering sind, liegen sie im CZ-Segment meist recht hoch. Mit dem Verzicht auf dieses Portfoliosegment ließe sich also eine Menge Geld sparen.

Sie mögen nun einwenden, dass die Unternehmensstrategie und die Deckungsbeiträge dagegen sprächen: Wer sich als Händler am Markt als Vollsortimenter aufstellt, muss auch das volle Sortiment bieten. Und wer als Produktionsunternehmen gegen fernöstliche Billiganbieter bestehen möchte, muss beim Kunden durch variantenreichere Lösungen punkten. Diese Überlegungen können strategisch klug sein. Sie setzen aber voraus, dass Sie mit Ihrer Produktbreite auch Geld verdienen; und zwar mit jedem einzelnen Produkt und nicht nur in Summe!

Genau hier hapert es in vielen Fällen. Wenn Sie Ihre Controller fragen, werden diese Ihnen zeigen, dass die meisten Produkte positive Deckungsbeiträge erwirtschaften. Doch diese Deckungsbeiträge spiegeln nicht unbedingt die reale Situation wieder: Mit diesen „exotischen“ Produkten mögen Sie ja mehr Geld verdienen, als diese variable Kosten verursachen und damit zur Deckung der Fixkosten beitragen. Ohne dieses breite Spektrum an exotischen Artikeln könnten Sie aber möglicherweise mit deutlich weniger Fixkosten auskommen. Darüber hinaus werden auch bei der Berechnung von Deckungsbeiträgen nicht alle variablen Kosten aufwandsgenau zugerechnet, sondern teilweise nach „Tragfähigkeit“ umgelegt, wodurch die Deckungsbeiträge der Exoten meist besser aussehen, als sie dies bei genauerer Betrachtung tatsächlich sind.

Den Wettbewerb gegen die Konkurrenz gewinnen

Warum ist das so wichtig? Neue Wettbewerber werden Sie typischerweise in Ihrem AX-Portfolio angreifen. AX-Artikel müssen jedoch häufig CZ-Artikel subventionieren bzw. zur Deckung der durch sie entstehenden Fixkosten beitragen. Die Verkaufspreise sind dadurch oft höher, als bei einem Wettbewerber, der sich alleine auf Teile Ihres AX-Sortiments konzentriert und damit häufig eine viel kostengünstigere Wertschöpfungskette aufbauen kann. Je tiefer neue, schlanke Wettbewerber in das AX-Sortiment Ihres breiten Portfolios eindringen, desto mehr geraten Sie unter wirtschaftlichen Druck und verschlechtern Ihre Wettbewerbssituation.

Oft wird dann versucht, sich noch stärker in der Breite des Portfolios zu differenzieren. Ein breites Produktportfolio muss man aber bezahlen lassen (können). Oder man versucht, es so kostengünstig wie möglich herzustellen, indem man einer Baustein-Strategie folgt und massiv standardisiert sowie Varianten so spät wie möglich im Verlauf des Fertigungsprozesses bildet. Postponed Manufacturing und Mass Customization sind hier die Schlagworte.

Noch besser als kostengünstige Varianten- und Produktvielfalt wäre natürlich, wenn Sie Ihre Brot- und Butter AX-Produkte so gestalten, dass sie die Kunden so sehr begeistern, dass diese kein Verlangen nach unzähligen exotischen Varianten entwickeln. Dies muss nicht unbedingt ein reiner Wunschgedanke sein. Apple hat es schon geschafft.

(Bild: © iQoncept – fotolia.de)

Prof. Dr. Götz Andreas Kemmner

Götz Andreas Kemmner ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Abels & Kemmner GmbH. Er führte über 120 Projekte in zahlreichen europäischen Ländern in den Bereichen Supply Chain Management, Sanierung und Unternehmenskooperation durch. In zwei Maschinenbau- und Automobilzulieferunternehmen fungierte Prof. Kemmner als Geschäftsführer. Der Fachwelt ist er als Autor bzw. Mitautor von über 190 Veröffentlichungen und Vorträgen, darunter mehrerer Bücher, ein Begriff.

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2 Comments

  • Martin Eimer sagt:

    Hallo Herr Prof. Dr. Kemmner,

    ein sehr interessanter Artikel. Aber ich hätte eine Frage zu Ihren Angaben. Woher stammt die Zahl, dass im Durchschnitt ca. 20 – 30 % der Produkte ungefähr 60 % des Umsatzes erwirtschaften? Sind das Durchschnittswerte und wenn ja, von wann und von welchen Unternehmen?

    Vielen Dank für Ihre Antwort im Voraus.

    Martin Eimer

    • Andreas Kemmner sagt:

      Hallo Herr Eimer,

      die Werte sind allgemeine Erfahrungswerte aus zahllosen Projekten. Sie können die Situation für Ihr Unternehmen aber über eine einfache ABC-Analyse nach Umsatz ermitteln:

      1. Alle Verkaufsprodukte mit deren jeweiligem Umsatz in einer Excel-Tabelle aufführen.

      2. Tabelle nach fallendem Umsatz sortieren

      3. in einer neuen Spalte den Umsatz von Zeile zu Zeile kummulieren (in der untersten Zeile, beim letzten Artikel mit dem kleinsten Umsatz steht dann der Gesamtumsatz über alle Artikel)

      4. in einer weiteren Spalte rechnen Sie den kummulierten Umsatz in Prozent vom Gesamtumsatz aus.

      5. nächste Spalte: Artikel durchzählen (in der ersten Zeile steht 1 in der letzten Zeile der Tabelle die Gesamtzahl der Artikel)

      6: weitere Spalte: kummulierte Artikel in % ausweisen (in der untersten Zeile muß dann 100% stehen.

      7. Jetz müssen Sie nur noch in einer XY-Punktegrafik in x-Richtung denkummulierten %uale Artikelanteil auftragen und in y-Richtung den kummulierten %ulaen Umsatzanteil.

      Ich habe eine Beispielgrafik angehängt. hier erkennen Sie, dass 80% des Umsatzes sogar bereits mit 16% der Artikel erreicht wurden.
      Andreas Kemmner

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