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Selbst heikle Gesprächssituationen souverän zu meistern und intelligent schlagfertig zu sein, gelingt nur demjenigen, der es versteht, die kognitiven und emotionalen Abläufe im Gehirn optimal in Einklang zu bringen.

Wie Sie Souveränität in allen Lebenslagen erreichen

Wohl jeder hat es schon erlebt. Plötzlich, wie aus heiterem Himmel fühlt man sich persönlich attackiert. Selbst gestandenen Persönlichkeiten passiert es dann, dass sie einen Blackout haben oder ihre gute Kinderstube vergessen. Doch: Immer „cool“ bleiben, ist leichter gesagt, als getan.

Denn unser Gehirn – das ist wissenschaftlich nachgewiesen – greift in Stresssituationen ungeachtet guter Vorsätze auf eingefahrene, oft wenig konstruktive Verhaltensmuster zurück. Hintergrund ist, dass die eigentliche Machtzentrale in unserem Bewusstsein nicht das vernünftige Großhirn ist, sondern eine entwicklungsgeschichtlich weit ältere Gehirnregion – das so genannte limbische System.

Dieses limbische System verfolgt nur ein Ziel: überleben – egal, wie. Um überleben zu können, sind oft blitzschnelle Entscheidungen nötig, über die wir nicht vernünftig nachdenken können. Diese Gehirnregion kontrolliert daher unsere Gefühle, unsere Körperhaltung und letztendlich jede Entscheidung.

Wenn wir merken, was da schon wieder passiert, ist die Möglichkeit, anders zu handeln, meist schon vorbei. Oft mit negativen Folgen. Doch die Erkenntnisse der Gehirnforschung und Psychologie machen es möglich, auch in schwierigen, konfliktträchtigen (Business-)Situationen souverän zu handeln.

Den Autopiloten abschalten

Wissenschaftler haben nämlich auch herausgefunden, dass wir unsere automatisierten Verhaltensweisen ausschalten und durch neue ersetzen können. Der erste Schritt ist dazu, sich seiner eingeschliffenen Verhaltensmuster und unbewussten mentalen Einstellungen bewusst zu werden. Dies bedeutet etwa, sich selbst seine „Ausrastpunkte“ und „dünnen Stellen“ bewusst zu machen.

Mit hinreichend innerer Achtsamkeit erkennt man sehr schnell, in welchen Situationen die eigenen Reaktionen immer gleich sind. Fragen wie etwa „Was geht jetzt in mir vor?“ „Wie verhalte ich mich?“ erleichtern es, die Aufmerksamkeit nach innen zu richten und wahrzunehmen, welche Gefühle gerade dominieren.

Rechtzeitig zu merken, „jetzt springt der Alligator in mir an“, kann also nachhaltigen Schaden verhindern. Der innere Beobachter meldet dann: „Ah, das nehme ich persönlich. Da ist jemand über meine Grenzen gegangen.“ Der innere Mind-Manager kann dann Distanz zum Geschehen schaffen.

Zwei „Strategien der Weisheit“ haben sich dabei besonders bewährt: Erstens, die Vorbild-Strategie: Überlegen Sie, wie würde etwa der Dalai-Lama oder ein anderer von Ihnen geschätzter weiser Mensch reagieren? Oder zweitens, Sie überlegen, was Ihnen wirklich wichtig ist im Leben? Beide Strategien helfen, die eigene innere Gelassenheit zu aktivieren, die Verstrickung in der Situation soweit zu lösen, dass sich der „Tunnelblick“ wieder weitet und man selbst wieder ruhiger agieren kann.

Diese innere Distanzierung ist Voraussetzung dafür, dass eine Wahlfreiheit hinsichtlich des eigenen Handelns entsteht. Das bedeutet: Sie können zum Beispiel bei Ärger lospoltern, sie müssen es aber nicht! Denn weil die typische Reaktion bewusst ist, können Sie entscheiden, wie Sie alternativ handeln. Alte, eingeschliffene Verhaltensweisen können somit durch neue ersetzen werden, die, Übung vorausgesetzt, bald ebenso in Fleisch und Blut übergehen wie die alten Muster.

Das wiederholte Anwenden der neuen Verhaltensweisen verändert nämlich die Struktur des Nervensystems und damit auch Gewohnheiten. Wir sind unbewussten Verhaltensweisen also keineswegs hilflos ausgeliefert. Wir können lernen, den Autopiloten abzuschalten und selbst das Steuer in die Hand zu nehmen.

Den Mind-Manager einschalten

Um das persönliche Selbstmanagement-Potenzial optimal auszuschöpfen, gilt es, ein passendes und konstruktives Verhaltensmuster für verschiedene Situationen einzuüben. Dies gelingt am besten, wenn man bewusst innere Dialoge führt.

Bewährt hat sich zum Beispiel, sich einen Schlüsselsatz für heikle Situationen zuzulegen, etwa: „Erst einmal ruhig bleiben.“ Oder: „Zähle langsam bis drei!“, „Es gibt für jedes Problem eine Lösung.“ Das klingt vielleicht banal, doch eine derartige Selbstinstruktion ermöglicht es, sich zu sammeln und sich von einer Situation zu distanzieren. Dadurch wird der Autopilot abgeschaltet.

Mit Hilfe so genannter Attraktoren, dies sind „Kanäle“, die direkt mit dem limbischen System verbunden sind und somit unmittelbaren Einfluss auf unser Befinden und Verhalten haben, kann dann das Verhalten „umgeschaltet“ werden, selbst bei sehr alten Gewohnheiten. Diese Attraktoren ermöglichen Zugänge zum Gehirn, über die wir unmittelbar auf unser Verhalten einwirken können. Dazu gehören die Körperhaltung, die Atmung und innere Bilder.

Da sich etwa die Körperhaltung unmittelbar darauf auswirkt, wie sich jemand fühlt und auch eine Wirkung auf das Umfeld hat, empfiehlt es sich, eine optimale Körperhaltung zu modellieren, um etwa gelassen, entschlossen oder fröhlich wirken.

Der Erfolg ist umso größer, wenn eine bestimmte Körperhaltung mit entsprechenden inneren Bildern, Sätzen oder früheren Erfolgserlebnissen verknüpft wird. Zum Beispiel kann dies folgendes Bild sein: „Ich fühle mich wie ein Adler, der gelassen in der Luft schwebt.“ Wie bei jeder Form von Verhaltensmodifikation gilt jedoch zu guter Letzt die Devise: üben, üben, üben – das, was Sie tun. Schließlich macht nur Übung den Meister!

Tipps: Wie Sie schlagfertig (re)agieren, wenn Ihr Alligator anspringt

  1. Wenn Konflikte zu eskalieren drohen: Sensibilisieren Sie sich dafür, zu erkennen, wann Sie sich angegriffen fühlen. Dadurch vermeiden Sie, dass Sie unangemessen, weil automatisch reagieren.
  2. Wenn unterschiedliche Wertesysteme und Einstellungen Spannungen verstärken: Atmen Sie tief durch, beobachten Sie achtsam, was gerade in Ihnen und zwischen den beteiligten Personen abläuft.
  3. Wenn Sie verbal attackiert werden: Setzen Sie eine klare Grenze, ein Stopp und versuchen Sie herauszuarbeiten, warum Ihr Gesprächspartner Sie attackiert.
  4. Wenn Ihr Gesprächspartner nicht auf Ihre Argumente eingeht: Fordern Sie einen wirklichen Austausch ein und plädieren Sie für Win-Win-Lösungen.
  5. Wenn Sie jemand über den Tisch ziehen will: Nutzen Sie das Judo-Verhandeln, indem Sie die negative Energie Ihres Gesprächspartners elegant auf ihn zurücklenken.
  6. Wenn Ihr Gegenüber Killerphrasen verwendet: Reagieren Sie darauf mit Fragen, Ich-Aussagen, aktives Zuhören und Nutzen-Argumentation.
  7. Wenn Sie innerlich unsicher sind: Identifizieren Sie Ihre persönlichen inneren Antreiber und lernen Sie, diese zu lenken bzw. setzen Sie ihnen so genannte „Erlauber“ entgegen.

Die Unternehmer.de-Leserfrage:

Wie besiegen Sie den Alligator in sich? Oder lassen Sie ihm freien Lauf?

Autoren:

Christine Lehner, Diplom-Pädagogin und Psychotherapeutin, ist seit 1992 freiberufliche Trainerin und Beraterin mit den Schwerpunkten Selbst- und Stressmanagement, Führungskräftetraining sowie Kommunikation und Konfliktlösung.

Sabine Weihe, Diplom-Verwaltungswissenschaftlerin, ist seit 1993 als freiberufliche Trainerin und Beraterin tätig. Ihre Schwerpunkte sind Kommunikation und Arbeitstechniken, Personal- und Organisationsentwicklung für Groß- und Mittelstandsunternehmen.

(Bild: © Cory Thoman – Fotolia.de)

Christine Lehner

Christine Lehner, Diplom-Pädagogin und Psychotherapeutin, ist seit 1992 freiberufliche Trainerin und Beraterin mit den Schwerpunkten Selbst- und Stressmanagement, Führungskräftetraining sowie Kommunikation und Konfliktlösung.

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One Comment

  • Wolf Blass sagt:

    Eine effektive Methode ist auch die Wiederholung des Gesagten.
    Durch die Wiederholung wird dem Aggressor der emotionale Inhalt seiner Aussage bewußt. Im Regelfall deeskaliert er seine Aussage und wird friedfertiger.

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