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Meetings, in denen die Stimmung kippt. Entscheidungen, die schwerfallen. Mitarbeitende, die sich zurückziehen. In einer Welt, die schneller, komplexer und unvorhersehbarer wird, reicht Rationalität allein nicht mehr aus. Was jetzt zählt, ist eine Fähigkeit, die viele nicht gelernt haben: emotionale Intelligenz. Sie ist keine weiche Zusatzkompetenz – sondern die Voraussetzung für gesunde, wirksame Führung im 21. Jahrhundert.

Veränderung beginnt im Körper

Emotionen entstehen in Millisekunden – lange bevor wir denken. Sie sind kein Störfaktor, sondern ein hochintelligentes Frühwarnsystem für das, was uns wirklich wichtig ist. Wenn du sie erkennst, verstehst und regulieren kannst, handelst du nicht nur schneller, sondern vor allem menschlicher. Viele versuchen, Emotionen über Gedanken zu kontrollieren. Doch echte Veränderung beginnt nicht im Kopf – sondern im Körper.

Ein bewährter Zugang ist ALBA Emoting®, entwickelt von der Neuropsychologin Dr. Susana Bloch. Über bestimmte Atem-, Haltungs- und Gesichtsmuster lassen sich emotionale Zustände gezielt regulieren. Ein Beispiel aus der Praxis: Laura, Führungskraft in einem Verlag, spürt im Meeting, wie ihr Puls steigt und die Stimme zittrig wird, sobald Kritik aufkommt. Statt in die Anspannung zu kippen, richtet sie sich auf, nutzt die sogenannte Neutralatmung – vier Sekunden durch die Nase ein, sechs Sekunden durch den Mund aus. Ihr Atem beruhigt sich. Ihr Blick wird klar. Die Führung bleibt bei ihr.

Emotionale Überlebensprogramme erkennen – und erweitern

Viele Führungskräfte handeln – ohne es zu merken – aus alten emotionalen Überlebensstrategien heraus: keine Schwäche zeigen, immer stark sein, alles allein schaffen. Diese Muster waren einst überlebenswichtig – heute stehen sie echter Beziehung und Veränderung oft im Weg. Emotionale Intelligenz beginnt mit der Bereitschaft, diese Muster zu erkennen – nicht mit Abwertung, sondern mit Akzeptanz. Nur was gesehen wird, kann sich verändern.

Ein Embodiment-Beispiel: Eine Frau lächelt zu schnell, nickt, obwohl sie innerlich zögert. Das alte Muster: Gefallen wollen, um sicher zu bleiben. Dann bleibt sie stehen, richtet sich auf, atmet scharf durch die Nase ein – und ebenso scharf wieder aus. Ihr Stand wird fester, der Blick ruhiger. Ein klares Nein entsteht – nicht im Kopf, sondern im Körper. So beginnt Transformation.

KI und die Zukunft der Menschlichkeit

Technologie wird schneller, intelligenter, allgegenwärtiger. Doch KI hat keinen Körper – keine Intuition, keine Empathie, keine Gänsehaut. Was sie analysieren kann, kann sie nicht fühlen. In einer digitalen Welt wird genau das zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Beziehungskompetenz. Nicht Rechenleistung, sondern Resonanz. Nicht nur Effizienz, sondern emotionale Präsenz.

Emotionale Intelligenz zeigt sich im Blick, in der Stimme, in der Haltung. Sie hat zwei Dimensionen: Selbstregulation und Beziehungsgestaltung. Wer sie verkörpert, führt nicht über Kontrolle – sondern über Verbindung.

Macht und Empathie neu denken

Führung bedeutet heute nicht mehr, über andere zu herrschen – sondern Räume zu schaffen, in denen Menschen wachsen. Das klingt leicht, verlangt aber von dir innere Arbeit. Denn wer Raum geben will, braucht eigene Stabilität. Wer Nähe zulassen will, muss mit der eigenen Verletzlichkeit umgehen können. Gute Führung braucht heute Klarheit und Mitgefühl – gleichzeitig.

Gerade Vielfalt fordert emotionale Intelligenz. Unterschiedlichkeit bringt nicht nur Potenzial, sondern auch Spannung. Führungskräfte, die lernen, Unterschiedlichkeit auszuhalten – ohne zu harmonisieren oder zu kontrollieren – gestalten echte Innovationskulturen. In Zeiten von KI wird das zur Schlüsselkompetenz der Menschlichkeit.

Fünf Impulse für den Führungsalltag

  • Beginne bei dir selbst: Was fühle ich gerade – und was brauche ich?
  • Atme, bevor du reagierst: Ein Atemzug schafft Raum für bewusste Führung.
  • Lies nicht nur Worte, sondern Körpersignale – bei dir und anderen.
  • Halte emotionale Spannung aus – ohne vorschnell zu lösen.
  • Verkörpere, was du fördern willst: Vertrauen. Mut. Präsenz.

Fazit

Emotionale Intelligenz ist keine Kür – sie ist die neue Führungskompetenz. Sie entscheidet darüber, ob Menschen mitgehen, ob Beziehung gelingt, ob Wandel möglich wird. Und sie beginnt nicht in Tools oder Modellen – sondern im Körper.

Wer führen will, muss fühlen.

Ellen Flies

Ellen Flies ist Diplom-Psychologin, approbierte Psychotherapeutin und Gründerin des CIB Coaching Instituts Bonn. Sie gilt als Expertin für embodied Leadership und hat das Coachingformat SBEAT® entwickelt – ein emotionsaktivierender, wissenschaftlich fundierter Ansatz an der Schnittstelle von Psychologie, Neurowissenschaft und Management. Mit über 30 Jahren Erfahrung als Coachin, Lehrtherapeutin und Supervisorin plädiert sie für mehr emotionale Kompetenz in Führung und Coaching: „Wer führen will, muss fühlen.“

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