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2021 steht vor der Tür und stellt ungeahnte strategische Herausforderungen. Covid-19 wirkt noch nach, und klar ist: Wenn wir den alten Stiefel weitermachen, taumeln wir am Abgrund entlang. Unter komplett anderen Vorzeichen das Gleiche wie zuvor zu tun, auch wenn es mehr davon ist, kann keine Lösung sein. Neue Zeiten verlangen grundsätzlich neues Denken, neue Vorgehensweisen und eine vollkommen neue Strategie.

„Es geht vermutlich ums Überleben“, meint der Chef und ruft zum großen Brainstorming auf.

Doch wie jedes Jahr wird lamentiert und gestikuliert, und alle überbieten sich gegenseitig, um die glasharte Logik ihrer bunt zusammengewürfelten Ideen nachzuweisen. Langsam schwillt dem Geschäftsführer der Kamm: Dieses „Jeder gegen Jeden“ ist kein bisschen hilfreich! Außerdem sind mir alle Vorschläge viel zu zahlenverliebt. Eine Strategie, die alle mitreißt und echt was verändert, muss emotional sein – so emotional und attraktiv, damit wir uns alle ein Bein ausreißen, um sie danach umzusetzen! Ihr aber werft nur Maßnahmen in den Topf, von denen wir gar nicht wissen, wohin sie führen.“ Die elitäre Runde schaut entgeistert. Soll Strategie jetzt keine knallharte und logische Planung mutiger Ziele mehr sein?

Strategie ist etwas Emotionales

Natürlich weiß der Chef auch, wie Strategie überall gemacht wird. Ein großes Ziel formulieren, einen Plan mit Meilensteinen zimmern und den so lange durchziehen, bis das Ziel halbwegs erreicht ist. Leider waren die Ergebnisse eher dürftig in der jüngeren Vergangenheit. Ohne Speed und ohne Zugkraft waren am Ende alle froh, gerade noch den Schlag ins Wasser abgewendet zu haben – die nachher übliche Schönfärberei inklusive.

Noch bevor sich alle berappelt haben, legt der Chef am Kopfende los: „Wenn wir hier wie die Wilden Maßnahmen in den Raum werfen, kommen wir keinen Deut weiter. Im Gegenteil: Dass wir uns immer auf Aktivitäten und Aktionismus verlassen haben, hat uns doch erst in diese Lage gebracht. Zuerst müssen wir die Strategie machen, und erst dann sehen wir, wie wir sie fortschrittsbasiert umsetzen. Ich habe mir mal das Beispiel einer Familie überlegt, um zu zeigen, wie das funktioniert:

EXTRA: Unternehmenserfolg Step 3: Visionen & Strategien entwickeln

Die Familienstrategie

Stellt euch vor, ihr wohnt mit der Familie in der Innenstadt. Ziemlich laut, aber immerhin nah zum Job im Autohaus. Euer Druck ist hoch: Harte Ziele, knappes Fixum und dünne Provisionen. Euer Partner ist angestellte Lehrerin oder Lehrer in Vollzeit an einer Gesamtschule. Bis um fünf jemand zu Hause für Ordnung sorgen kann, machen die Kinder nur Unsinn. Ihr selbst trudelt mit Glück um sieben ein, wenn es mit den Kids schon richtig geknallt hat. Euer Familienleben? An drei von sieben Tagen eher keins. Das nennen wir jetzt mal den Anfangszustand A.

Der Purpose: Dafür treten wir an

Klar, wollt ihr was ändern. Der Familienrat stellt fest, dass ihr zusammen glücklicher sein wollt, mit weniger Druck, mehr Teamgeist und mehr Freude am Leben. Und plötzlich kommt euch eine großartige Idee. Euer Purpose – der Sinn, für den ihr gemeinsam alles in die Waagschale werfen wollt, ist, die glücklichste Familie der Welt zu werden. Klar: Das ist noch ein bisschen diffus, klingt aber schon ziemlich emotional, oder?

Verschiedene Zielzustände. Wohin wollen wir?

Was ihr jetzt noch braucht, sind die konkreten Ziele, die ihr erreichen müsst, damit diese schöne Vorstellung wahr wird und genau die Emotionen auslöst, die ihr ersehnt. Euer Familienrat grübelt gemeinsam und findet drei Ziele heraus: „Wir wollen mehr Zeit miteinander haben, die Welt in schönen Urlauben entdecken und frei von finanziellem Stress leben.“

Was euch jetzt noch fehlt, sind Bilder im Kopf. Wie soll euer glückliches Leben genau aussehen? Was ist anders als im Großstadt-Smog, dem Stress im Job und den Kindern, die irgendwie unglücklich wirken? Jetzt darf jeder von euch eine emotionale Gedankenreise machen, wie das fertige Leben aussehen könnte, das diese Ziele erfüllt. Jeder darf einen Vorschlag machen, ja sogar mehrere:

Infografik: Strategische Optionen

Ihr schlagt vor, euch mit einem eigenen Autohaus am Stadtrand selbstständig zu machen und ins Grüne zu ziehen. Eure Partnerin oder euer Partner will lieber komplett aufs Land mit viel Selbstversorgung – ein Öko-Garten, Sonnenstrom auf dem Dach, ihr als BeraterIn für Autohäuser, eure Partnerin bzw. euer Partner gibt Fernkurse in seinen Spezialgebieten im Internet. Die Kids können mit dem Rad zur Schule, ohne von LKWs, Bussen und nervösen Autofahrern bedrängt zu werden. Vielleicht fallen euch auch noch andere Sachen ein.

Ganz egal, ob eure strategische Option

  • ein eigenes Autohaus ist (Zielzustand B)
  • ein Bauernhof auf dem Land mit Selbstversorgung und gut bezahlter Beratertätigkeit (Zielzustand C)
  • oder etwas ganz anderes (mögliche Zielzustände D, E, F…)

Das sind eure emotionalen Zielbilder, zwischen denen ihr euch am Ende entscheidet. Und genau das ist Strategie: das Denken in alternativen Zielbildern – in möglichen Zielzuständen, von denen der attraktivste ausgewählt wird.

Die strategische Lücke: Was setzen wir wie um?

Sagen wir mal, ihr wählt dem emotionalen Zielzustand C, den Bauernhof. Das ist das Leben, für das ihr alles geben und auch alle Beine ausreißen wollt. Jetzt müsst ihr nur noch die Unterschiede zwischen eurem Anfangszustand A, dem tristen Großstadtleben und dem Zielzustand C, dem Bauernhof ermitteln und managen. Das ist eure strategische Lücke. Wichtig dabei ist aber, dass ihr auch am täglichen Fortschritt orientiert, statt einen zu festen Plan zu machen und blind zu verfolgen. Entscheidend ist, ob ihr mit dem was ihr tut, dem Zielzustand näherkommt, und Pläne sind schnell überholt.

Ich habe das mal für alle skizziert. Läuft der Beamer? Ich zeige euch, wie ich mir das gedacht habe. Wenn wir den Laden endlich umkrempeln und zukunftssicher machen wollen, brauchen wir diese Emotion. Sonst brennen die Leute nicht dafür, und uns geht die Puste aus.“

Wow. Es dauert einen Moment, bis bei allen ankommt, was der Chef gerade begeistert doziert hat. Natürlich gab es in der Kaffeepause viel zu bereden, aber alle waren Feuer und Flamme. Sie hatten kapiert:

  • Zuerst müssen wir unseren Purpose kennen.
  • Dann ermitteln wir die Ziele, die diesen Purpose als Bausteine unterstützen.
  • Im Anschluss malen wir uns ersehnenswerte Zielzustände bildhaft aus, die unsere Ziele erfüllen. Dazu gehört, exakt beschreiben zu können, was anders ist und was das sowohl praktisch als auch auf der Gefühlsebene mit uns macht.
  • Am besten schreiben wir kurze Aufsätze zu diesen Bildern, um sie möglichst konkret zu machen und vor dem inneren Auge sehen zu können.

Und zum Schluss ermitteln wir die strategische Lücke und beginnen den Weg von A nach B, C, D usw. zu managen. Erst dann kommen unsere Maßnahmen und Aktivitäten ins Spiel.

Eine Strategie, die funktioniert

Wer so vorgeht, wird endlich erleben, dass Strategie funktioniert und nicht daran scheitert, dass zu früh in Aktivitäten und Plänen gedacht wurde. Die kommen erst zuletzt, und wenn man exakt ist, existiert so etwas wie strategische Planung nicht. Entweder ist es Strategie, dann kommt sie zuerst. Oder es ist Planung, dann kommt sie erst mit der Umsetzung ins Spiel.  

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Matthias Kolbusa

Matthias Kolbusa ist Strategie- und Veränderungsexperte, Autor und Vortragsredner. Als einer der auch international erfolgreichsten deutschen Berater unterstützt er Konzerne wie Daimler, Telekom, Deutsche Bahn und Thyssenkrupp sowie High-Performance Mittelständler wie KraussMaffei, die Haufe-Gruppe und viele andere mehr. In Management beyond Ego plädiert er für ein radikal an den Menschen und der Sache orientierten Managementstil jenseits von Ego-Fallen und Partikularinteressen. Mit KONSEQUENZ und Gegen den Schwarm sind bei Ariston zwei weitere Bücher von ihm erschienen.

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