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Schon seit einigen Jahren ist in vielen Unternehmen ein radikaler Umbruch zu beobachten – bekannt unter dem Begriff „agiles Projektmanagement“. Der Kunde mit seinen Vorstellungen zu Produkt oder Dienstleistung rückt noch stärker in den Mittelpunkt des Geschehens, Änderungen sind ständig möglich und sogar willkommen (agiles Prinzip). Damit verbunden ist eine neue Arbeitsteilung zwischen demjenigen, der die Kunden betreut – dem Product Owner –, und demjenigen, der das Team methodisch in seiner möglichst produktiven und effektiven Zusammenarbeit unterstützt – dem Scrum Master.

Wenn dann gleichzeitig auch mehr Transparenz herrscht und die Team-Mitglieder die Aufgaben, die zu ihrem Potenzial passen, selbständig übernehmen und bearbeiten, inklusive des Treffens der dafür nötigen Entscheidungen, dann führt das bereits in einigen Branchen dazu, dass Projektmanager nicht mehr benötigt werden.

Agilität ist nicht alles

Längst weiß man jedoch, dass auch der agile Ansatz keine Wunder erzeugt und dass seit 2-3 Jahren, rein statistisch gesehen, sein Siegeszug zu stagnieren scheint (Quo-Vadis-Agile-Studie, Komus u. a.). Die Unternehmen konzentrieren sich darauf, wo er passt und wo eher nicht – und wo eine Kombination verschiedener Ansätze („hybrid“) hilfreicher ist. Aus einer noch unveröffentlichten Studie der Fachgruppe „Führen im Projekt“ in verschieden großen Unternehmen, die von einem bis zu zehn Jahren Erfahrung mit dem agilen Ansatz hatten, ergaben sich neben der Abschaffung des Projektmanagers (vor allem in der IT-Branche) noch andere Szenarien.

In manchen Unternehmen läuft es ganz gut und sehr strukturiert und oft mit einem klaren Angebot für Projektmanager, entweder die Koordinatoren-Rolle einzunehmen oder ins Project Management Office zu gehen. Eine Abwandlung davon wäre die Entwicklung zum Coach für Scrum Master oder sogar in Richtung Change und Innovation. Viele Projektmanager, die auf eine Scrum-Schulung geschickt wurden, gingen einfach 1:1 in dieses Rollen-Set mit über. Andere konnten in das Product-Owner-Rollenset oder sogar ins Productmanagement wechseln.

Projektmanagement-Trends im digitalen Zeitalter

Der zweite Trend – die weitere Digitalisierung – drückt sich in Projekten schon viele Jahre lang unter anderem darin aus, dass über den Gegenständen zugleich neue Technologien entwickelt und integriert oder sogar auf der Basis digitaler Produkte beziehungsweise Elemente die Gegenstände völlig neu erfunden werden. Insofern werden Projekte auch gerne genutzt als „Spielplatz“ für die Anwendung neuer Technologien.

Das führt natürlich zu mehr Komplexität – sowohl durch das Zusammenbringen vieler Komponenten, die mittlerweile untereinander kommunizieren können und lernfähig sind, als auch durch das Zusammenbringen vieler Spezialisten, Zulieferer und User. Das macht das in Projekten übliche Stakeholdermanagement erheblich anspruchsvoller. Und es erzeugt den Druck, schneller und effektiver sein zu müssen, sprich:

  • besser mit Informationen versorgt zu sein
  • schneller entscheiden und auf Stati zugreifen zu können
  • auskunftsfähig zu sein gegenüber den Auftraggebern
  • die meist internationale Zusammenarbeit besser zu gestalten

Es gehört seit einigen Jahren zum normalen Projektgeschehen, dass software-gestützte Abläufe (zum Beispiel automatische Zugriffe auf Dokumente) und kollaborative Tools, die die Zusammenarbeit auf ein neues Niveau heben, verstärkt Anwendung finden. Gemäß verschiedener Studien steckt der Einsatz von KI dagegen noch in den Kinderschuhen. Man kann sich natürlich vorstellen, dass wichtige Teile der Projektarbeit – wie etwa die Planung von „Workbundles“, steuernde Eingriffe bei Abweichungen oder die Unterstützung bei Problemsituationen – wenigstens teilweise von der Maschine übernommen werden.

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In mehreren großen Projekten werden diese Unterstützungsarbeiten schon länger auf internes oder externes Support-Personal ausgelagert. Insofern wäre dann die weitere Automatisierung dieser Aufgabenbereiche eher eine Gefährdung dieses Personals und würde gegebenenfalls die Anforderungen an das Projektmanagement verändern (Stichwort: Zusammenarbeit mit KI-Systemen, höherer Abstraktionsgrad im „Cockpit“ des Projekts). Insofern geht es auch nicht nur – wie manche Autoren glauben machen wollen – um die Aneignung von Medien-Kompetenz für Projektmanager, sondern auch um das neue Durchdenken von Abläufen und von Schlussfolgerungen aus Daten, kurzum: das feinfühlige Nachfragen, Klären und kreative Problemlösen.

Gleichzeitig beobachten wir im Zuge des Einsatzes solcher Software-Lösungen die weitere Virtualisierung von Projekt-Teams – inklusive der Vernetzung mit Kunden- und Zulieferer-Plattformen. Das alles muss dann mit Regeln versehen und flexibel gesteuert werden. Daraus entstehen wiederum neue Herausforderungen auch außerhalb des Kern-Teams, die nach frischen Ideen zur Gestaltung dieses Wettbewerbs bester und schnellster Lösungen verlangen.

Neue und alte Herausforderungen im Projektmanagement

Zusammengefasst ergeben sich also folgende Herausforderungen, die Projektmanager in den nächsten Jahren bewältigen müssen:

1. Klarheit über die eigene Rolle

Sie sollten sich damit auseinandersetzen, welche Rolle(n) sie in dem augenblicklichen Umbauprozess wahrnehmen wollen: Haben sie Spaß an einem Rollenset wie dem des Scrum Masters, wo es um Methoden geht, um Teamentwicklung, um Konfliktklärung – und darum, das Team zu stärken und Wege freizuräumen bei Problemen? Oder liegt ihnen mehr, sich mit der Welt des Kunden auseinanderzusetzen, dessen Interessen zu verstehen sowie das Produkt beziehungsweise die Dienstleistung möglichst optimal anzupassen (Rollenset PO)? Oder streben sie gar die Mitarbeit im Project Management Office an?

2. Mut zur Veränderung

Damit einher geht die Bereitschaft, sich dieser Veränderung zu stellen, sich für Neues zu öffnen und auch mutig genug zu sein, um Neues auszuprobieren – gegebenenfalls auch ohne Hinweise seiner Chefs.

3. Change-Konzepte verstehen

Es wäre für ihre fachliche Ausrichtung und auch für die Verbesserung ihres Standings sicher von Vorteil, nicht nur verschiedene Projektmanagement-Methoden zu kennen und in deren flexibler Anwendung sich zu üben, sondern sich auch stärker in Change-Konzepte und -Vorgehensweisen einzuarbeiten (gegebenenfalls mit Ausbildung dazu).

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4. Sich mit der Digitalisierung entwickeln

Aus der weiteren Digitalisierung ergeben sich Anforderungen wie:

  • Vernetzung gestalten, Kontakte knüpfen, Beziehungen pflegen
  • Entrepreneurship übernehmen
  • Experimente organisieren und auswerten
  • Chancen fürs Projekt erkennen und ergreifen
  • sich um neue Tools und deren Potenzial kümmern und gezielt erproben
  • Medienkompetenz entwickeln
  • neue Impulse für die (internationale) Zusammenarbeit und in die Gestaltung der Selbstorganisation setzen

Menschlichkeit vor Technik

Und zu guter Letzt natürlich die alles übergreifende Fähigkeit: wertschätzend, aber auch der Situation angemessen und klar kommunizieren zu können und sich nicht hinter zahllosen E-Mails zu „verstecken“, sondern von Zeit zu Zeit das direkte Gespräch zu suchen.

Halte dich nicht zu lange mit den üblichen Technik- und Methodenfragen auf, die im Zusammenhang mit Agilisierung und Digitalisierung gerne von interessierter Seite an dich herangetragen werden, sondern konzentriere dich relativ zügig auf den Zusammenhang und Reifegrad deiner Projekte und deines Projektteams – sowie auf deine eigenen Potenziale und Gefühle hinsichtlich der oben angedeuteten Zukunftsszenarien.

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Dr. Klaus Wagenhals

Dr. Klaus Wagenhals (Dipl.Soz. und Dipl.Psych.) ist seit 1998 engagierter und ideenreicher Berater bei der Umgestaltung von Organisationen ("der Change kann gelingen") Projekten ("project excellence") und von Führung. 2007 gründete er zusammen mit KollegInnen das Berater-Netzwerk metisleadership, das nicht nur gute Referenzen vorweisen kann, sondern aus dem heraus interessante Change-Initiativen entstehen. Er veröffentlicht zu obigen Themen, tritt als Speaker auf und engagiert sich ehrenamtlich z. B. in der GPM (Assessor für den PM-Award und Mitglied der Regionalleitung der GPM in KA) sowie bei den Wirtschaftspsychologen.

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