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Personal in Osteuropa auswählen und entwickeln

Personal in Osteuropa auswählen und entwickelnFirmen, die in Osteuropa eine Niederlassung oder Filiale gründen, müssen vor Ort qualifizierte Mitarbeiter und Führungskräfte finden. Ein Instrument hierfür sind Assessment-Center und Management-Audits. Sie müssen den kulturellen Bedingungen und den Marktbedingungen vor Ort angepasst werden.

Bei der Erwerbsbevölkerung in den osteuropäischen Ländern und in der Russischen Föderation lassen sich drei Generationen unterscheiden:

Hinzu kommt die Gruppe der Menschen unterschiedlichen Alters, die in der Vergangenheit ihre Heimatländer verließen und nun mit Expatriate-Status zurückkehren.

Die vier Gruppen unterscheiden sich in puncto Ausbildung, Qualifikation, Werte und Soft-Skills. Verallgemeinert formuliert gilt:

Das passende Personal suchen und auswählen

Auf den ersten Blick haben die für eine Auslandsinvestition infrage kommenden Länder einen unproblematischen Arbeitsmarkt. Doch die Realität sieht anders aus:

Für deutsche Unternehmen, die in Osteuropa oder Russland Fuß fassen möchten, haben sich Assessments und Management-Audits als Personalsuche- und -auswahlinstrumente bewährt. Beim Gestalten des Assessment-Prozesses müssen jedoch einige Besonderheiten beachtet werden.

Im deutschsprachigen Raum basieren fast alle modernen Assessment-Prozeduren auf dem Kompetenzprofil von Werner Sarges. Das Kompetenzprofil für Fachkräfte und Experten besteht hiernach aus den vier Hauptblöcken „Persönlichkeit und soziale Kompetenz“, „Fachkompetenz und Leistung“, „kognitive und methodische Kompetenz“ sowie „Kommunikation und Soft Skills“. Das Kompetenzprofil für Manageraufgaben ist differenzierter. Diese Kompetenzblöcke werden jeweils auf definierte Kriterien heruntergebrochen. So kann das Kompetenzprofil für bestimmte Aufgaben auf verschiedenen Ebenen beurteilt werden.

Assessment-Prozess in Osteuropa und Russland

Diese Evaluation der Kompetenzen liefert valide und objektive Ergebnisse im deutschsprachigen Raum. In den 0steuropäischen Ländern und in Russland laufen Assessment-Prozesse und Management-Audits jedoch schief, wenn sie sich auf die genannten Hauptblöcke beschränken. Weitere Kriterien müssen berücksichtigt werden.

a. Haupt-Zusatzkriterium „wirtschaftlicher Hintergrund“:

Ein Assessment der Faktoren, die die Profitabilität eines Unternehmens bestimmen, ist sehr wichtig. Denn einige Generationen im Osten neigen dazu, diese Parameter zu ignorieren.

b. Haupt-Zusatzkriterium „Projektmanagement“:

Projektmanagement verlangt unter anderem folgende Fähigkeiten: Projektkonzipierung, Entwurf eines Projektplans, Ressourcenplanung, Zeitdisziplin, Termintreue und Durchführung von Kommunikationsplänen. In Osteuropa und Russland müssen beim Assessment-Prozess und im Management-Audit folgende generationsbedingten Besonderheiten beachtet werden:

c. Haupt-Zusatzkriterium „Interkulturelle Kompetenz“:

Interkulturelle Kompetenz ist die Kompetenz zum Kommunizieren, Betreiben und Erreichen von Ergebnissen in einem länderübergreifenden Umfeld. Dazu gehören auch kognitive Aspekte, wie die Fähigkeit zu lernen, die Bereitschaft, andere Lebens-, Arbeits- und Verhaltensweisen zu akzeptieren, sich anzupassen, also offen zu sein. Auch bei diesem Zusatzkriterium gilt es in Osteuropa und Russland generationsbedingte Besonderheiten zu beachten.

Zusatzkriterium „Einfluss der Kultur“

Des Weiteren sind beim Planen und Durchführen von Assessments und Audits folgende Spezifika und Beschränkungen der osteuropäischen Kultur zu beachten.

Beziehungsorientierte Geschäftskultur:

Anders als westeuropäische Länder agieren Firmen in Osteuropa und Russland nicht auf Basis einer zielgerichteten Geschäftskultur, sondern einer beziehungsorientierten. Statt Motivation und Effizienz aus dem Erreichen eines Ziels zu ziehen, ziehen sie ihre Effizienz und Motivation aus einer guten persönlichen Beziehung. Das bedeutet: Der Prozess ist langsam, solange keine Beziehung aufgebaut ist, und er gewinnt an Effizienz, wenn eine Beziehung besteht. Betrachtet man das Projektmanagement, heißt das, dass zum Beispiel beim ersten Projekt zunächst einmal 150 Prozent mehr Zeit benötigt wird, um die Ziele zu erreichen. Ist aber erst mal ein gemeinsames Projekt gelaufen und ist die Beziehung aufgebaut, kann das nächste in weniger als 100 Prozent der Zeit durchgeführt werden.

Information als Instrument der Machtausübung:

Information wird in Osteuropa oft als Instrument der Machtausübung eingesetzt. Daher erhalten viele Angestellte keine Informationen und wissen nicht, warum sie bestimmte Aufgaben erledigen. Das führt zu einem Verlust an Effizienz. Es gibt keinen Raum für Fehler, und häufig werden die Angestellten für Fehler bestraft. Deshalb treffen sie Entscheidungen nicht selbst, sondern verlagern diese auf die nächsthöhere Managementebene. Das macht den Entscheidungsfindungsprozess langsam und ineffizient. Dieses Verhalten sollte bei allen Teilnehmern beurteilt werden.

Unsicherheitsvermeidung:

Die Menschen streben nach Sicherheit und Stabilität. Das macht es für die Unternehmen einfach, ihre Angestellten durch Stabilität und sicheres Einkommen an sich zu binden. Es bedeutet aber gleichzeitig ein geringes Interesse am Unternehmertum und eine geringe Bereitschaft zu Veränderungen. Diese Dimension sollte bei Assessments und Audits berücksichtigt werden.

Motivation nur durch Sicherheit:

Viele Menschen in den östlichen Ländern suchen primär eine sichere Arbeit und Sicherheit motiviert sie. Die Motivation hingegen, aktiv den Prozess zu gestalten, ist gering. Daher sind Aspekte wie „Bereitschaft zu lernen“, „proaktive Erweiterung der Erfahrung” und „Mut zur Entscheidungsfindung” von größter Wichtigkeit bei Assessments und Audits.

Abweichendes Führungsverständnis:

Die Erwartungen an den Führungsstil variiert im Osten sehr deutlich. In Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien und der Slowakei ist die individuelle Leistung wichtiger als die der Gruppe, in Russland, Rumänien und Bulgarien hingegen wird die Leistung des Teams höher bewertet als die Leistung des Einzelnen. Diese Faktoren können mit den Aspekten „Teamkompetenz” und „Kooperationsfähigkeit” gemessen werden.

Fazit

Deutsche Firmen, die im östlichen Ausland Fuß fassen und geeignete Mitarbeiter sowie Führungskräfte finden und binden wollen, müssen den Assessment-Prozess und ihre Management-Audits modifizieren. Denn die osteuropäischen Kulturen prägen die Arbeit und das Arbeitsumfeld der Menschen. Also müssen sie in die Beurteilung der Zielgruppen einfließen.

(Bild: © imageteam – fotolia.de)

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